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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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ihnen beiden befand sich der Tisch, auch um ihn herum standen manche, sie würden ihn packen, nichts ließ sich mehr tun. Folglich richtete er sich auf, schlug Hacken und Sporen zusammen, wandte sich um, und mit langsamen Schritten zwischen den Tischen der erschrockenen Fremden verließ er den Saal.

    Zur Mittagszeit tags darauf meldeten sich bei Gyerőffy ein Hauptmann und ein Oberleutnant der Infanterie. Denn Egon Wickwitz kannte die Vorschriften. Als aktiver Offizier durfte er sich im Falle einer öffentlichen Beleidigung nur Offiziere als Sekundanten nehmen, niemanden sonst. Besser auch so! Soldaten stellen keine Fragen, suchen keine Versöhnung herbeizuführen, ihnen braucht man nichts zu erklären. Sie begnügen sich mit dem Tatbestand. Wickwitz hatte sich also an das Platzkommando gewandt, das seinerseits dem Divisionskommando Meldung erstattete. Die Division wies das örtliche Infanterieregiment an, die Sekundanten zu stellen. Wickwitz meldete sich auch bei Oberstleutnant Zdratutschek, dem Stellvertreter des Regimentskommandanten – der Oberst befand sich auf Urlaub. Er berichtete über die Kränkung, die man nicht ihm, sondern der Uniform zugefügt habe; des Kaisers Rock sei beleidigt worden. Dies traf sich zum einen gut, denn Zdratutschek lief vor Zorn rot an und wies seine als Sekundanten bestimmten Offiziere »privatim« an, die schwersten Bedingungen zu fordern. »Diese magyarische Rebellen-Bagage! 28 Man muss es ihnen zeigen!« Schlecht zum anderen aber war, dass Wickwitz vom Oberstleutnant angewiesen wurde, keine zivilen Gesellschaften zu besuchen, solange sein Duell nicht erledigt sei. Folglich konnte er Judith vorläufig nicht sprechen, was ärgerlich war, doch wenn er die Sache mit Gyerőffy heute Nachmittag zu Ende brächte, wäre er abends dieser Bindung wohl schon ledig.
    Es ergab sich jedoch nicht so schnell. Gyerőffys Sekundanten, anfänglich Major Bogácsy, der Präsident des Waisenamts, und Jóska Kendy, hielten die Bedingungen der gegnerischen Seite für übertrieben. Dreimaliger Kugelwechsel bei fünfundzwanzig Schritt Abstand mit je fünf Schritt Avance, was also zuletzt fünfzehn Schritt ergäbe, und bei Ergebnislosigkeit schwere Kavalleriesäbel ohne Bandage bis zur Enderschöpfung! Nein, das könnten sie nicht annehmen, erklärten sie, obwohl Gyerőffy einwilligen wollte. »Er hat aber damit nichts zu schaffen!«, sagte Bogácsy, der als erstrangiger Duellfachmann festhielt, dass der Duellkodex solche Bedingungen nur für den Fall von körperlicher Verletzung vorschreibe. Der Kodex aber war seine Bibel, was darin stehe, das gelte, da gebe er nicht nach. So bat er um den Zusammentritt eines Waffen- und Ehrengerichts.
    Jetzt jedoch erklärten die Offiziere ihrerseits, dass sie einzig ein militärisches Forum akzeptierten. Das führte zu langwierigen Verhandlungen, denn diesem Wunsch wiederum widersprach die Zivilistenseite. Präsident Bogácsy trat als pensionierter Major zurück, seinen Platz übernahm Onkel Ambrus, der fest beteuerte, dass es nur eine Art von Ehre gebe und dass er folglich nicht einmal Gott zuliebe weichen werde.
    Damit vergingen drei Tage, drei sehr lange Tage.
    Die ganze Stadt befasste sich natürlich mit der Angelegenheit um das Duell. Ob auf der Straße oder in den Kaffeehäusern, alle sprachen und diskutierten darüber, alle handelten sie ab. Auch die Studenten regten sich. Nun ging es nicht mehr um die Genugtuung, die Wickwitz von Gyerőffy bekommen würde, sondern um anderes: »Was für eine Rechthaberei des Militärs, das Urteil von zivilen Herren nicht anzunehmen!« Onkel Ambrus füllte das Casino mit seinem Geschrei gegen »die Soldateska«. Dort waren alle versammelt, die sich in der Stadt aufhielten; der Große Salon war vom Mittag bis zum Abend vollbesetzt. Die älteren Herren saßen vor dem Kamin: Sándor Kendy und der alte Dániel, Szaniszló Gyerőffy, Laszlós einstiger Vormund, Ádám Alvinczy senior, der Vater der Alvinczy-Jungen, der gute alte Zakata und natürlich Onkel Ambrus. Auch Tihamér Abonyi hielt zu ihnen, ferner Major Bogácsy, der seine Erklärungen und Belehrungen noch zorniger erteilte, seitdem er als Sekundant abgedankt hatte. Auch der rundliche Kamuthy bemühte sich, viel Gescheites zum Besten zu geben, und die Jüngeren, die bei der Beleidigung an Ort und Stelle gewesen waren, berichteten schon zum hundertsten Mal, was sich auf welche Weise abgespielt habe. Jóska Kendy allein meldete sich nie zu Wort, aber auch er stimmte hinter

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