Die Schrift in Flammen
Telefon läutete kurz vor Mittagszeit. Der Sekretär des Casinos machte ihn darauf aufmerksam, dass die achtundvierzig Stunden um zwölf Uhr ablaufen würden; man werde, sollte seine Schuld zu dem Zeitpunkt noch nicht geregelt sein, seinen Namen an die schwarze Tafel heften.
»Es ist gut. Danke!« Und er legte den Hörer auf.
Ja. Sein Name würde auf die schwarze Tafel kommen, so schrieb es die Regel vor. Die Tafel war zwar nicht schwarz, man nannte sie aber so. Glatter, grüner Filz steckte in einem zwei Meter messenden Rahmen. Hier sollte ein kleiner, mit einem einzigen Reißnagel fixierter Zettel erscheinen. Außer einem Namen würde nichts darauf stehen. Ein jeder wusste ohnehin, was das bedeutete: Bezahlt der Betreffende innerhalb einer Woche nicht, dann streicht man ihn automatisch von der Liste der Mitglieder. Einmal hatte er einen solchen Namen gesehen. Wer war es gewesen? Einerlei. Nun würde auch sein Name an der Prangertafel stehen: »László Graf Gyerőffy.« Nur so viel. Eine Woche lang wird er dort zu sehen sein, und dann verschwindet er … Er verschwindet für immer.
Das Telefon läutete wieder. Neszti Szent-Györgyis Butler teilte mit, sein Herr bitte Gyerőffy – wenn möglich, sofort – zu sich. László gab unwillkürlich zur Antwort, er komme. Er fragte sich erst danach verwundert, warum man ihn wohl kommen lasse, und er bereute, die Einladung nicht zurückgewiesen zu haben. Nun ging er also doch hin, zuvor aber nahm er das Banknotenbündel zu sich; Bacherach erwartete ihn gegen zwei Uhr.
Graf Neszti wohnte in der Nähe, in einer der Villen mit Garten in der Horánszky-Straße. Es war eine merkwürdige, sehr individuelle Wohnung: Tiger- und Löwenfelle auf dem Fußboden, an den Wänden Jagdtrophäen aus den Tropen, darunter ein langes Bücherregal mit allen Jahrgängen des Stud-Book, und auf dem Kaminsims eine Menge von Wettkampfpreisen, die seine Pferde während mehrerer Jahrzehnte überall in der Welt auf Rennbahnen gewonnen hatten. Selber saß er in einem tiefen Fauteuil mit seinem ersten Frühstück neben sich. Er rauchte seine Langrohrpfeife, denn für ihn galt es, alles, was gut war, zu genießen, mochte es auch nicht der Mode entsprechen.
»Komm, komm her«, sagte er mit seiner gleichförmigen, raschen Redeweise und bot László einen Stuhl an. »Setz dich dorthin, ich will dich etwas fragen.« Jetzt legte er sein Monokel ein. »Weißt du, dass dein Name an der schwarzen Tafel steht?«
»Ich weiß es.«
»Na und …? Kannst du es regeln?«
László zögerte einen Augenblick und presste den Ellbogen gegen das Geldbündel. »Ich kann’s nicht«, sagte er und blickte Szent-Györgyi entschlossen ins Gesicht. Dieser ließ die Glasscheibe ruhig aus dem Auge fallen und zwirbelte seinen lang herunterhängenden, schwarzen Schnurrbart. Er verzog keine Miene.
»Also nicht. Ich hab es mir gedacht …« Er schaltete eine kurze Pause ein; hernach strich er sich über die marmorglänzende Glatze und fragte von neuem: »Und wie viel ist es insgesamt?«
»72.000 auf Ehrenwort und fünftausend gegen Bons.«
Als aber Neszti frostig die Frage hinwarf – »Und was gedenkst du zu tun?« –, blickte ihm László unverändert starr ins Gesicht, und er schwieg. Nur seine Finger bewegten sich unsicher über die Jackentaschen und -aufschläge.
Während einiger Minuten herrschte Stille. Szent-Györgyi legte sein Monokel wieder ein und sagte das Folgende. Seine Worte prasselten so gleichmäßig wie das Knattern eines Zahnrads. »Ich werde die Schuld begleichen. Demgegenüber erklärst du deinen Austritt aus dem Casino. Ich werde erledigen, dass man dich entlässt. Schreib, dort auf dem Tisch findest du Papier!« Und mit dem Pfeifenrohr zeigte er in die Richtung des Fensters.
Gyerőffy trat mechanisch an den Schreibtisch. Nachdem er das Schreiben beendet hatte, übergab er es und wollte etwas wie Dank stammeln und dass er, sobald sich eine Möglichkeit finde, sich bemühen werde …
»Das ist mir egal! Und bedank dich nicht! Ich tue es nicht deinetwegen. Ich mag es nicht, wenn man dort jemanden mit einem guten Namen hinauswirft … Nur deshalb, einzig deshalb!« Und er ließ das Glas aus dem Auge fallen. Die Angelegenheit war für ihn erledigt. Er reichte László beim Abschied nicht die Hand. Das war die erste Kostprobe von seiner Zukunft.
Wenn der Mann wüsste, dass die volle Summe in meiner Tasche steckt!, dachte László beinahe spöttisch, während er sich durch den Vorgarten der Villa
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