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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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alte Bartókfáy und Farkas Alvinczy in den Besitz eines Mandats sowie natürlich Béla Varju und Doktor Zsigmond Boros; Letzterer wurde sogar Staatssekretär. Der kleine Kamuthy war Kandidat bei einer Nachwahl.
    Heitere Stimmung herrschte bei der Parlamentseröffnung. Nach der königlichen Botschaft, die das allgemeine Stimmrecht als wichtigste Aufgabe bezeichnete, klang die Erwähnung der »Volkssouveränität« in der Ansprache des Kammervorsitzenden nur noch wie das ferne Donnern beim Gewitter, das sich verzieht. Friede war eingetreten, nun galt es, die Arbeit in Angriff zu nehmen.
    Und man machte sich ans Werk. Als Erstes galt es, die von der Vergangenheit herrührenden Angelegenheiten zu bereinigen: Handelsverträge sowie militärische und gemeinsame finanzielle Angelegenheiten. Dann musste man in den Komitaten Ordnung schaffen, Säuberungen waren durchzuführen, denn es war unerträglich, dass Leute, die sich lauwarm benommen oder gar die Regierung der Trabanten unterstützt hatten, auf ihrem Platz verbleiben sollten wie Spreu im Weizen. Jóska Kendy als neuer Obergespan in Küküllő packte entsprechend zu, und erst recht tat es Ördüng in Maros-Torda. Sein alter Gegner Péter Benő Balog, der an jenem – einzig durch die geschmissenen Eier verhinderten – Installationsversuch offenkundig eine Mitschuld getragen hatte, sollte nun mitsamt seinen kleineren Beamten-Komplizen zur Strecke gebracht werden.
    Als Bálint Lélbánya besuchte, bekam er von diesen Vorgängen etwas zu sehen. Der rechtschaffene Notar Dániel Kovács, der dem Städtchen und Bálints altruistischen Anstrengungen zugunsten der Genossenschaft und des Kulturhauses selbstlos diente, war von jemandem verleumdet worden. Bálint kostete es eine ganze Woche, seinen Schutz zu sichern. Hernach kehrte er in die Hauptstadt zurück. Trotz seiner Lustlosigkeit besuchte er fleißig die Sitzungen. Er nahm sich vor, sich für ihren Verlauf zu interessieren. Ebenso versuchte er, an dem Werk zu arbeiten, das er in Portofino begonnen hatte. Er brachte wenig zustande. Das Gefühl beherrschte ihn, dass ihm mit dem Verzicht auf Adrienne auch die Antriebskraft abhandengekommen war. »Schönheit als Handlung«, ja, auch der Verzicht enthielt irgendeine Schönheit, einen gewissen Heroismus. Doch wie, wenn es sich bloß um einen Akt der Vernunft handelte, um eine Flucht vor der Verantwortung? Hatte er beim Verzicht nicht die Mahnung seines passiven Ichs beherzigt, das ihn vor Addy immer gewarnt hatte? Nein! Nichts anderes hatte er tun können. »Ich flehe Dich an, bring mich nicht um«, hatte ihm Adrienne geschrieben, und dagegen kam er nicht auf.

    Der kleine Kamuthy gewann einige Wochen später die Nachwahl und wurde Mitglied der Kammer. Er berichtete, dass er tags zuvor mit den Milóths zusammen hergereist sei: mit dem alten Zakata, der seine Frau in Baden besuchen wolle, und mit Adrienne, Judith und Margit, die morgen oder übermorgen an den Lido fahren würden.
    »Ich glaube, weift du«, suchte er sich lispelnd anzubiedern, »diefe Judith Milóth ift ein wenig übergefnappt. Auf dem ganzen Weg fprach fie kein Wort, dabei habe ich wirklich fehr geiftreich Konverfation gemacht.«
    Bálint erwiderte nichts, sondern wandte sich ab. Er wollte nichts hören, noch nicht einmal zufällig erfahren, wo die Milóths abgestiegen waren. Er hatte sich fest zum Grundsatz gemacht, dass er Adrienne nicht wiederbegegnen durfte. Sollte er wissen, wo sie zu finden war, dann wäre es schwerer, sich daran zu halten. Er nahm sich vor, an diesem und an den nächsten Tagen einzig im Casino zu speisen. Doch er wich von seinem Vorsatz schon am Abend des gleichen Tags ab.
    Schwüle Wärme herrschte in der Stadt. Eine unerträgliche Wärme. Er ließ sich zur Gaststätte Wampetics neben dem Tiergarten kutschieren. Er schaute sich um: Das Lokal war schrecklich überfüllt. Nein, da würde er nicht bleiben. Er versuchte es mit dem Seerestaurant; auch hier saßen unzählige Leute, Platz gab es nur neben der Zigeunerkapelle … Dort würde er ja das Gehör einbüßen! Nein! … Da war es besser, zu Gerbeaud hinüberzugehen. Ein teurer Platz, da würde es kein solches Gedränge geben.
    Hier nun, auf der linken Seite, saßen die Milóths. Ein Glück, dass Zakata wie Judith ihm den Rücken zudrehten, sodass sie ihn nicht wahrnehmen konnten. Vielleicht auch Margit nicht. Adrienne blickte zwar in seine Richtung, aber sie bemerkte ihn ebenso wenig. Wie blass sie war! … Sie unterhielt sich mit dem

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