Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
recht heftig.
    Denn er galt als ein Spieler großen Stils. Man kam ihm nie auf die Schliche. Manchmal steigerte er wie ein Verrückter den Einsatz in der Bank mit einem nackten Ass in der Hand, während er ein andermal mit den besten Trümpfen im Hinterhalt blieb. Hin und wieder täuschte er Angst vor, oder er ermunterte vollmundig die Jünglinge, ob er nun eine ganze Sammlung von Stichen oder auch gar nichts in der Welt besaß. Er konnte seltsame Klagen und schreckliche Verwünschungen ausstoßen. Manchmal lockte er die Partner so in die Falle: »Halte nicht mit, mein Sohn, sonst gewinne ich selbst deine Unterwäsche!« Und dazu lachte er herzhaft. All dies tat er mit solch onkelhafter Gutmütigkeit, dass die Jungen sich beinahe freuten, wenn sie gegen ihn verloren.
    Jetzt, da Bálint die Bibliothek betrat, war Ambrus gerade wieder dabei, das große Wort zu führen.
    »Weh mir, wehe! Mein Gott, was soll aus mir werden? Der eine zeigt zweimal Grün und der andere zwei Ober! So, jetzt bringen mich diese Alvinczy-Kinder gleich um.« Und er lehnte sich zurück, griff sich mit merkwürdigen Bewegungen an den Kopf, schlug sogar mit der Faust zweimal auf den Tisch, dann wandte er sich an den, der ihm kiebitzte, als bäte er ihn um Hilfe – an den guten Dániel Kendy, der, schon völlig benebelt, stumm neben ihm am Tisch saß. Dann, als täte er es im Wahnsinn und in letzter Verzweiflung, schob er einen Haufen Banknoten in die Bank und rief: »Möge denn auch das in die Hölle fahren! Diese vierhundert noch – aber haltet ja nicht mit!!«
    Der eine Alvinczy warf seine Karten fort, der andere zögerte kurz, dann hielt er mit, schloss aber die Partie.
    »Setzt du nicht dagegen? Warum denn nicht, du Trottel? Gott ist mein Zeuge, ich wäre davongelaufen. Ganz bestimmt. Ich ertrage es nicht, wenn man mir Angst einjagt. Na, aber lasst sehen, was ich habe.« Und schelmisch legte er einzeln vier gleichfarbige Karten vor, Ass, Zehner, Ober und Unter, was mehr war, als die anderen haben konnten. Dann tat er so, als wäre er überrascht, dass er die Bank mitnahm, dabei hatte er, wie man so sagte, den anderen schon längst »den Bauch durchschaut«.
    »Thi-hi-hi«, quietschte er, »habe ich wirklich ein solches Schwein? Mich armen alten Mann lieben also die Mädel nicht mehr!« Und dann ließ er seine behaarten Tatzen auf den Tisch fallen und strich das Geld vor sich ein, als griffe er aus lauter Trauer danach.
    Bálint blieb neben den Spielern stehen. Ihn ekelte es ein wenig. Es ekelte ihn vor dieser gekünstelten Natürlichkeit und auch vor seinen Altersgenossen, die all dies mit beduseltem Kopf genossen und mit serviler Bewunderung auf ihren Verderber blickten. Doch dann dachte er an seine Studentenzeit zurück, als auch er zwei Jahre lang so närrisch in den Fußstapfen von Onkel Ambrus gewandelt war. Karten gespielt hatte er mit ihm zwar auch damals nicht, doch ahmte er ihn in manchem nach: in der Redeweise, beim Trinken, in den wilden Gelagen mit Zigeunermusikern. Er verstrickte sich damals sogar in Schulden und wurde den ewig ausschweifenden Kreis erst los, als er sich ganz zurückzog, ohne sich darum zu kümmern, was die anderen von ihm hielten. Es bedurfte dazu großer Willenskraft. Hätte die Mutter nicht so bitter geweint, als er die Schulden eingestand – es ging um etwa zweitausend Forint –, dann hätte er die Kraft vielleicht nicht aufgebracht. Und womöglich säße er jetzt auch da, unter diesen …
    Er blieb eine gute Weile dort stehen und forschte lange in seinen Erinnerungen. Er bemerkte gar nicht, dass es dämmerte. Die Lampen und Kerzen verloren ihr Licht, und in der langen Bibliothek wurde es unerwartet hell.
    Mit einem Mal kamen jetzt die gedrechselten Säulen der Regale zur Geltung, gelbe, in griechischer Form gehaltene Kirschholzsäulen, zwischen denen überall Unmengen von Büchern die Wände bedeckten, vom Boden bis zur Decke hinauf. Es waren schöne, in Leder gebundene Bände, nicht gerade in guter Ordnung, kleine und große durcheinander, doch alle mit goldverziertem, geripptem Rücken. Einen Teil mochte noch der Herr Vizekanzler gesammelt haben, viele dicke Compilata- und Tripartitum-Bände, mit Pergamentseiten prall gefüllte juristische Bücher, doch auch die französische Encyclopédie und den kompletten Voltaire. Das meiste stammte aber wohl von seinem Enkel, der die Empireflügel an die Wehrmauern gebaut hatte, denn als Bálint näher an die Regale herantrat, entdeckte er aus jener Zeit manches

Weitere Kostenlose Bücher