Die Schrift in Flammen
niedere Holzeimer standen auf einem Bretterbock in der äußeren Ecke, gefüllt mit Wein- und Champagnerflaschen, die, ihre glänzenden Bäuche seitwärts gewandt, sich wie Büffel im See im Eiswasser wälzten. Dahinter stand der Gutsverwalter der Laczóks. Er gab acht, dass die Getränke von hier einzig dorthin gelangten, wohin sie bestimmt waren. Er konnte da die Diener im Auge behalten, wenn sie mit den Champagnergläsern auf dem Tablett die Treppen hochstiegen oder mit dem starken Küküllőwein im Seitenflügel anlangten, wohin sich die seriöseren Herren zurückgezogen hatten. Der Gutsverwalter, ein breiter, kräftiger Mann, trug auch jetzt graue Reithosen und Stiefel, so wie draußen auf dem Gut, denn er befand sich hier im Dienst und nahm nicht an einer Parade teil. Eine lästige Aufgabe, die ganze Nacht dazustehen und die Aufsicht zu führen. Er hatte sie, obwohl ein diplomierter Mann, aus Gefälligkeit gegenüber Frau Laczók akzeptiert. Dabei würde er tags darauf von morgens bis abends auf den Feldern sein müssen. Doch Frau Laczók hatte ihn schön gebeten, und er hatte zugesagt, dies auch darum, weil er jede Plünderung und selbst den Gedanken daran verabscheute. Er hatte Ordnung versprochen, und er hielt Ordnung; das Gesinde hatte vor ihm Respekt, denn alle wussten, dass ihm die Hand – mir nichts, dir nichts – sehr leicht ausrutschen konnte.
Bálint ging an den Leuten vorbei und stieg die Treppen der unteren Terrasse hinab in den vom Mond beleuchteten Garten. Er wanderte bis zur kleinen Eckbastei, wo er aber niemanden mehr fand. Er blieb stehen, horchte auch, ob er irgendwo Schritte vernahm. Eine Zeitlang wartete er, ob sich András Jópál vielleicht zeigte. Doch nichts rührte sich. Von Osten her meldete ein blasser Streifen bereits die nahende Dämmerung.
So machte er kehrt und folgte dem Pfad die Wehrmauer entlang. Er gelangte nun zum rechten Schlossflügel, dessen lange Eingangsfenster schwach erleuchtet waren. Zwei Kartentische standen an den beiden Enden des schmalen, aber langgezogenen Bibliotheksaals. Kajsza, mürrischer denn je, spielte mit Tihamér Abonyi, dem Hausherrn und dem Obergespan am kleineren, von vier Kerzen beleuchteten Tisch Tarock. Hier fiel kaum ein Wort, nur Abonyi versuchte gelegentlich eine Erklärung zu geben – denn im Landescasino war das üblich, wenn jemand zuerst eine Tarockkarte mit niedrigem Wert ausspielt –, bitt’ sehr, er habe es so gelernt, bitt’ sehr, es sei in solchen Fällen am klügsten … Doch er traf auf keinerlei Echo, die drei anderen brummten nur, sodass er es bald bleiben ließ. Beim anderen Tisch ging es umso lauter zu.
Hier hatte Onkel Ambrus eine Fünfergruppe zum Färbelspiel versammelt. Er hatte um sie geworben, die Ausersehenen gemütlich an der Schulter gepackt und geschüttelt und sie mit herzlichen Sprüchen ermuntert – jeden nach seiner Art. »Möchtest nicht einen Blick in die ungarische Bibel tun, Vetter?«, fragte er den einen, zum anderen aber sagte er: »Man kann sich nicht die ganze Nacht hinter Weiberröcken verstecken!« Oder auch dies: »Ein Mannsbild braucht auch ein wenig ungarisches Spiel, nicht bloß die vielen deutschen Walzer!« Dann wieder flüsterte er einem zu: »Man hat schön starken Wein hinabgebracht.« So hatte er seine Leute zusammenbekommen und schon vor einer Weile hinuntergeführt. Die anderen gingen natürlich darauf ein, denn er galt noch immer als ein Anführer der Jugend, mit dem es edel war, gemeinsame Sache zu machen. Man war auch schon lange gewohnt, dass Onkel Ambrus auf Bällen einige Stunden mit Färbelspiel verbringen wollte.
Warum er das wollte, bedachte keiner. Es fiel ihnen nicht ein, dass Ambrus als älterer Mann mit seinen Beinen den pausenlosen Tanz nicht mehr durchstand, sodass er seinen Gliedern beim Kartenspiel gern ein wenig Ruhe gönnte. Zumal es für ihn noch einen weiteren guten Grund gab: Er pflegte nämlich zu gewinnen und beschaffte sich so von diesen Jungen ein bisschen höchst willkommenes Taschengeld. Die beiden mittleren Alvinczy-Söhne, Ádám und Zoltán, ferner Pityu Kendy und Gazsi Kadacsay saßen also mit Onkel Ambrus am Färbel-Tisch, neben dem sich auf Serviertischchen Gläser und langhalsige Flaschen emporreckten. Ein Verwandtenkreis, war doch die Mutter von Ambrus ein Alvinczy-Mädchen gewesen, eine Cousine Pityus zweiten Grades, während Kadacsay der Sohn seines Schwagers war. Das freilich hinderte Ambrus nicht, sie ein wenig zu rupfen – und manchmal sogar
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