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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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seltene Werk über Architektur, große Folianten, so den kompletten Palladio, dessen Edition seinerzeit der neoklassizistischen Richtung Auftrieb verliehen hatte. Er fand auch die Ornamentik von Percier und Fontaine sowie die Sammlung der Wettbewerbsausschreibung der École de Rome aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts.
    Wie viel Kultur es doch damals in Siebenbürgen gab, dachte Bálint und wollte zur nächsten Säulenreihe weitergehen, doch jemand stellte sich ihm in den Weg. Der alte Dániel Kendy war zu ihm getreten. Er taumelte ein wenig und hielt sich an den Büchern auf einem Regal fest. Ungewohntes glänzte jetzt in seinen wässrigen Augen. Kein Scherz, kein bösartiges Wortspiel, sondern irgendeine nostalgische Trauer.
    »Mon p… p… prince!«, sagte er stotternd, aber mit vorzüglicher Aussprache, »das sind w… wunderbare W… Werke! 2 Quite wonderful … oh, yes!«, und er strich mit der Hand streichelnd über die metallgehärteten Rücken der Bücher. Vielleicht war in ihm jetzt in dieser reichen Bibliothek seine längst vergessene Vergangenheit erwacht, da man ihn für einen verheißungsvollen Jüngling gehalten hatte, dem eine große Zukunft bevorstand; die Zeit, in der er im Ausland oft in den besten Kreisen verkehrte, bevor er sich dem Trunk ergab und zugrunde ging. Und er streckte sich wieder mit verlangender Hand nach einem der schön geschmückten Bände, als griffe er nach seinen verlorenen Erinnerungen. Nach der Vision seiner nun schon vernichteten, im Nichts vergangenen Laufbahn. Und diese Bewegung wurde ihm zum Verhängnis. Plötzlich stürzte er in sich zusammen.
    Der Spiezeugclown fällt so steif um, wenn man oben die Schnur loslässt. Mit gespreizten Beinen saß er auf dem Boden, und kein Augenblick verging, da begann er sich zu erbrechen. Er tat es ohne jede Anstrengung, ohne jedes Würgen. Der Wein trat aus ihm mit kurzen Unterbrechungen in weit reichendem Strahl heraus, als käme er aus einer Feuerspritze; er bildete Rinnsale, die auf dem Parkett auseinanderstrebten. Ein Glück, dass Bálint nur auf seinen Lackschuhen etwas abbekam. Bei den Tischen sprangen alle auf. Sie eilten zum alten Dániel. Kajsza allein verharrte auf seinem Platz. »Altes Schwein! Altes Schwein!«, rief er mehrmals, dann schmiss er wütend die Karten hin und ging hinaus. Die Färbelspieler lachten bloß. Für sie war das altgewohnt. Pityu Kendy und der Baron Gazsi ergriffen den alten Dani von hinten – von vorne hätte man sich ihm nicht nähern können – und schleppten ihn wie eine riesige Holzpuppe zum Diwan. Sie legten ihn mit einiger Mühe hin, und dann ließen sie ihn in Ruhe. Alle wandten sich dem Ausgang zu, denn in dem säuerlich riechenden Saal hielt es nun keiner mehr aus.

    In der frühen, an Helle zunehmenden Morgenstunde standen draußen vor dem Eingang bereits einige Kaleschen. Die Hähne im Dorf krähten wacker. Der Ball ging dem Ende zu. Hier und dort trippelte eine Mama mit ihren in Seidenmäntel gewickelten Töchtern die Terrassenstufen hinunter, eilig, damit sie mit erhitztem Gesicht am Tageslicht nicht gesehen wurden, und versank in der Dunkelheit der nun mit aufgespanntem Dach vorfahrenden Wagen. Der eine oder andere junge Herr trieb sich um sie herum – zur Verlängerung des Flirts mit einem letzten Händedruck oder zu einem flüchtigen Handkuss.
    Kádár, der alte Diener, waltete hier wieder allein seines Amtes. Er rief schreiend die Kaleschen herbei, eine nach der anderen, und riss dienstfertig mit der Linken jede Wagentür auf, während er die rechte flache Hand so hielt, als fände das Trinkgeld den Weg dorthin aus lauter Zufall.
    Bálint stieß in der Vorhalle auf László Gyerőffy, und sie entschieden, zusammen zurück ins Hotel zu fahren. Beide eilten ins Gästezimmer, um ihre Taschen und Siebensachen einzusammeln. Als sie herauskamen, war das Vorzimmer mit Damen, die zur Abfahrt bereitstanden, beinahe voll. Adrienne befand sich nicht unter ihnen. Bálint überlegte einen Augenblick, in den oberen Stock hinaufzugehen und sich von ihr zu verabschieden, doch dann verwarf er den Gedanken. Wozu jetzt einige banale Worte in dieser nüchternen Morgenstunde? Und so bahnte er sich den Weg durch die Menge der leicht fröstelnden Damen, hinaus zum Fiaker. László und er gingen gerade um eine Gruppe herum, in der sich die Leute die Beine vertraten, als in der Menge der Wartenden plötzlich eine Rückwärtsbewegung einsetzte und von hinten eine stotternde Stimme schreiend

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