Die Schrift in Flammen
anhob:
»O, m… m… mesdames et mmm… m… messieurs! Il v… vostro umilissimo servitore! Ge… ge… gehorsamster Diener!« 3 Der alte Dani hatte sich offenbar irgendwie aufgerappelt und war an den Rand der Terrasse hinausgestolpert. Da stand er in aufgelöster Kleidung, die Hemdbrust besudelt, mit knotigem Bart und umklammerte eine Säule. Er verbeugte sich immer wieder tief, und sein rechter Arm beschrieb bei jedem Satz eine steile Bewegung hinauf und hinunter wie ein Eisenbahn-Semaphor. Einige Herren liefen zu ihm hin, nahmen den Alten beim Arm und schleppten ihn fort. Die Damen taten, als hätten sie nichts gesehen, und nun setzte wieder all die Umständlichkeit ein, die das Einsteigen in einen Wagen begleitet.
Die Gespanne fielen gleich in Trab, wenn eine Wagentür zuschlug. Sie kurvten zum inneren Tor, und dann ging es geradeaus weiter über den äußeren Hof, wo viele Bauernmädchen, Pferdeburschen und Leute vom Hausgesinde, welche – auch sie – die ganze Nacht unter dem Balkon getanzt hatten, nun auf beiden Seiten Spalier standen. Aus ihren Reihen sprang hie und da ein Mägdelein ohne ersichtlichen Grund heraus, lief vor den rennenden Pferden kreischend durch und lachte auf der anderen Seite unmäßig darüber, dass man sie nicht überfahren hatte.
Und die Kaleschen der vom Ball Heimkehrenden jagten in den schon sonnig glänzenden Morgen hinein.
2 »Das sind wunderbare Werke« deutsch im Original (A.d.Ü.)
3 »Gehorsamster Diener« deutsch im Original (A. d. Ü.)
IV.
Bálint und László konnten im Hotel nur wenige Stunden schlafen. Durch die Risse der zerschlissenen Vorhänge schien ihnen die Sonne ins Gesicht. Als sie aufstanden, war es noch nicht einmal elf Uhr. Nachdem das Stubenmädchen im Hotel begriffen hatte, dass sie von ihr außer warmem Wasser nichts wünschten, ging sie mürrisch hinaus und ließ die beiden lange warten, sodass die Glocken schon zu Mittag läuteten, als sie ihre Toilette beendet hatten. Dann zogen sie zusammen los.
Bálint wollte nämlich erkunden, ob der Freund seines Großvaters, Minya Gál, der alte wandernde Schauspieler, noch am Leben sei, und László schloss sich ihm an.
Sie mussten viel herumlaufen, bis sie endlich Auskunft erhielten: Er lebe und wohne in einem bestimmten Stadtteil. Der reformierte Glöckner wies ihnen den Weg, nachdem sie sich am frühen Nachmittag zum Pfarrhaus begeben hatten, um dort nachzufragen.
»Ich kenne ihn gut, halten zu Gnaden, obwohl ich ihn im Jahr nur vier- bis fünfmal sehe, denn er kommt nur zum Abendmahl. Er war auch kürzlich da, beim Fest des neuen Brotes. Wo er wohne? Das kann ich wahrhaftig nicht sagen, aber es muss irgendwo unterhalb der Reben sein, denn von dorther kommt der Alte immer zu uns herab.« Denn der Glöckner war der Ansicht, dass die Kirche nicht einzig das Haus des Herrn, sondern auch sein eigenes sei.
Das war ein magerer Hinweis, aber sie machten sich auf den Weg. Manch schöne Villa war in der Umgebung hochgezogen worden, seitdem auch der Bürgermeister selber hier hatte bauen lassen. Dazwischen fanden sich aber auch einige baufällige Bauernhäuser. Ein dunkles Schild verkündete an einem von ihnen: »Izsák Schwarcz, englischer Damen- und Herren-Modeschneider«. So stand es mit Großbuchstaben und darunter, kleiner geschrieben: »Flickarbeit führen wir künstlerisch aus.«
»Vielleicht fragen wir da nach«, regte László an, »solch kleine Juden wissen gewöhnlich alles.«
Sie klopften an. Der englische Modeschneider, ein zwerghaft kleines Männchen mit graumeliertem Bart, kam heraus; er trug so durchlöcherte Hosen, dass sie für seine Kunst fürwahr nicht die beste Reklame machten.
»Der wohlgeborene Herr Gál?«, erwiderte er auf die Frage. »Wie sollte ich ihn nicht kennen? Das dritte Haus, bitte, hier weiter unten nach der Kurve«, und dienstfertig begleitete er sie eine Wegstrecke weit.
Die jungen Leute verabschiedeten sich und betraten das Grundstück. Es war ein breites, weißgestrichenes Steinhaus mit einem Vorbau, das Dach mit Schindeln gedeckt. Drei Fenster blickten am schmalen Ende über einem Blumengärtchen auf die Straße. Links gab es einen Kuh- und einen Schweinestall. Auf der Rückseite, hinter dem Misthaufen, wuchsen einige weitverzweigte Apfelbäume, an denen sich die vielen Früchte schon schwellend rundeten. Auf dem Hof war ein kleines, barfüßiges Mädchen gerade dabei, für die Schweine einen Kürbis zu zerhacken.
»Ist Herr Mihály Gál zu Hause?«, fragte
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