Die Schrift in Flammen
Offizier hinter Adrienne her sei. Die Besuche von Wickwitz galten nicht ihr, sondern Judith. Er machte ihr so vorsichtig und wortkarg den Hof, dass niemand es bemerkte. Einzig das Mädchen spürte es, war sich aber auch nicht sicher.
Oberleutnant Egon hatte um langen Urlaub gebeten und ihn gleich auch erhalten. Er hatte sein Gesuch nicht aus freien Stücken gestellt. Er hatte Schulden, und diese waren übler Art: böse Schulden, die, sollten sie nicht geregelt werden, eine Degradierung nach sich ziehen würden. Man hatte ihn zum Obersten bestellt. Der sagte ihm, dass er in Erinnerung an Egons verstorbenen Vater, in dessen Regiment er einst gedient hatte, diese Dinge einstweilen nicht zur Kenntnis nehmen wolle. Das könne er aber nur, wenn sich der Herr Oberleutnant nicht in der Garnison befinde. Er möge sofort verschwinden und irgendeine Lösung suchen. Vorher müsse er gar nicht wiederkehren. Tags darauf trat Egon einen halbjährigen Urlaub an. Bis zum Ablauf dieser Frist musste er sich etwas ausdenken.
Was konnte das sein? Er besaß gar kein Vermögen. Seine in Graz lebende Mutter bezog als Witwe eines Generalleutnants eine Pension und unterstützte ihn jeden Monat mit einer bescheidenen Summe. Mehr zu geben war sie nicht imstande. Es wäre auch keine Lösung, würde sie jetzt einen Teil ihrer Rente verpfänden, so wie sie es damals getan hatte, als in der Kadettenschule mit Egon bereits einmal etwas schiefgegangen war – was man ihm nur wegen Vaters Namen nachgesehen hatte. Es würde auch nicht ausreichen. Und er wollte es auch nicht. Nein! Die alte Frau durfte man in diese Geschichte nicht hineinziehen. Er musste einen anderen Ausweg finden. Er musste heiraten. Sich ein vermögendes Mädchen zur Frau nehmen. Er dachte gleich an die Gyalakuthy-Tochter. Die würde sich gut eignen. Sie ist das einzige Kind, hat wohl fünftausend Joch in Radnótfalva und zwei weitere Güter irgendwo auf der Heide. Dies als väterliches Erbe. Damit, sagte er zu sich, wärst du aus dem Schlamassel. Auch ihre Mutter ist reich, dereinst wird die Tochter auch sie beerben. Ja, das ist gut.
Ein Glück, dass Radnótfalva in der Nähe von Marosszilvás lag. Ja, er wird dort bei der schönen kleinen Dinóra einziehen, die den Winter zuvor zu ihm so lieb gewesen war. Dort kann er ohne jede Ausgabe leben, der »Kriegsschauplatz« befindet sich in der Nachbarschaft, und er bleibt am Ort, solange es ihm passt. Und der gute Tihamér? Der wird sich nur freuen. Warum sollte er nicht? Er wird seine Pferde trainieren, worum der andere ihn schon wiederholt gebeten hatte. Danken soll er ihm dafür, am Ende könnte er gar Rennen gewinnen.
Bei diesem leicht humorvollen Gedanken lachte Egon auf – es war am Abend des Rapports beim Obersten, er saß allein am Marmortisch in einem Kronstädter Kaffeehaus und erwog das vorhin Erwähnte der Reihe nach, stellte die Überlegungen langsam an, tat dies jedoch mit der kontinuierlichen Logik beschränkter Leute. Mit einem Mal war er glänzender Laune. Er schlenderte hinüber zu der hübschen Kassiererin, mit der er von Zeit zu Zeit auf gutem Fuße stand, und flüsterte lange mit ihr. »Gut. Klar. Gleich nach der Sperrstunde!« Und da er glaubte, dass dies sein letzter Abend in diesem elenden Zustand sei, bestellte er sich eine kleine Flasche Champagner. »Hol’s der Henker, man lebt nur einmal.«
Tags darauf stellte er sich in Szilvás ein. Die Abonyis freuten sich über sein Kommen. Die Männer besichtigten den Rennstall. Wickwitz äußerte sich sehr abschätzig über die Kondition der Pferde. »Kriegen die keinen Hafer?«, fragte er. »Ein jedes frisst zwölf Liter«, setzte sich Abonyi zur Wehr. Egon lachte hierauf betont, schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Abonyi ersuchte ihn noch gleichen Tags, zu bleiben und die Aufsicht des Stalls zu übernehmen. Und die kleine Frau Abonyi freute sich, dass ihr Freund bei ihnen wohnen würde. Dies hatte sich Anfang Juni ereignet.
Wickwitz weihte Dinóra bald schon in seine Pläne ein. Er erklärte ihr, dass sie die Einzige sei, die er liebe, dass er aber nicht anders könne – es gebe sonst keinen Ausweg.
In Radnótfalva empfing man ihn herzlich. Frau Gyalakuthy war eine gutmütige Frau, und im Übrigen hatte auch sie bemerkt, wie schlecht es ihrem Töchterchen ging. Soll sie doch am Ende jemanden haben, der sich mit ihr abgibt. Und wenn daraus gar etwas werden sollte? Wenn Dodó sich in ihn verlieben würde? Tja, mein Gott! Nach einem solchen Mann als
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