Die Schrift in Flammen
des Etuis mit gestanzten Schriftzügen seinen – freilich leicht verschriebenen – Namen gesetzt hatte: »Count Ladislas Gieroffy«. Er setzte das Gewehr zusammen, was leicht von der Hand ging, denn die Flinte war Präzisionsarbeit wie eine Uhr. Er klappte die glänzenden Gewehrläufe einige Male herunter und spähte durch ihren Tunnel; dann ließ er sie wieder hochschnellen. Welch feiner, klarer Ton, mit dem sie einschnappen! Er spielte eine Weile so mit der Waffe, dann legte er sie liebevoll wieder zurück und verschloss die Hülle. Er spazierte an diesem Abend lang allein auf dem ausgestorbenen Donauquai von Buda.
László fuhr am 19. November nach Simonvásár. Er reiste zusammen mit Bálint Abády, der einige Tage zuvor durch politische Ereignisse in die Hauptstadt gerufen worden war. Sie kamen nach einer langen Kutschfahrt am Spätnachmittag an, denn das Schloss lag zwar kaum zehn Kilometer von der Station der Südbahn entfernt, die hinführende Landstraße war aber in schändlichem Zustand – noch schlimmer als die übrigen in der Region. Denn Kollonich trat stets allen Regierungen als Frondeur entgegen, und mit dem Komitat verkehrte er einzig über seinen Gutsdirektor. Die Kalesche kurvte durch den breiten, hufeisenförmigen Schlosshof und hielt in der Mitte vor dem Säuleneingang der Vorhalle.
Wortkarge Diener in steifer Haltung waren beim Ablegen der Pelze behilflich, und dann folgten die beiden einem der blau befrackten Lakaien, durchquerten die Bibliothek, einen würfelartigen, kuppelbedeckten anderthalbstöckigen Raum; hernach ging es eilig durch den gestreckten Roten Salon, der Längswand mit fünf Fenstern nach, wo sich Klára und andere junge Leute bereits versammelt hatten. Eine offen stehende Doppeltür führte von dort in den Ecksalon. Hier empfing Fürstin Ágnes die Gäste.
Auch dieser Raum war anderthalbstöckig, ebenso wie die Bibliothek, doch nicht Bücher, sondern heller Stuck bedeckte hier die Wände. Matte Farben herrschten vor: buttergelber, blassvioletter und resedagetönter Kunstmarmor in wunderbar reinem Empirestil, obwohl der große Pollack, der Architekt des Nationalmuseums, den Bau des Schlosses erst Ende der dreißiger Jahre beendet hatte. Die Fürstin empfing sie mit großer Liebenswürdigkeit. Sie lächelte ihnen zu und strich László über das Haar, als er sich über ihre Hand beugte. Sie gab sich sehr verwandtschaftlich, und doch spürte man fortwährend, dass sie, ihres vornehmen Ranges als große Dame bewusst, jedes ihrer verbindlichen Worte, ebenso wie die zum Kuss gereichte Hand, für ein Geschenk und eine Auszeichnung hielt.
Sie war eine großgewachsene, immer noch schöne Frau, obwohl ihre braunen Haare schon zu ergrauen begannen und auf den einst so glänzend rosaroten Wangen hier und dort an Kupfer gemahnende Flecken schimmerten. Sie trug ein englisches Nachmittagskleid, ein Tea-gown, unter dessen Spitzen sich ihre nach wie vor wunderbaren Arme und der volle Hals weiß abzeichneten, doch war es trotz des weich fallenden Stoffs offenbar, dass sie in einem hohen, panzerartigen Korsett steckte und deswegen in solch steifer Haltung saß.
Rechts von ihr stand ein alter, dicker Herr von mächtigem Wuchs: Graf Kanizsay, General der Kavallerie, einer der Helden der Okkupation von Bosnien. Der General, Nachkomme jenes Kanizsay, der bei der Verteidigung von Szigetvár an der Seite Zrinyis gefallen war, stammte von einer alten ungarischen Familie ab. Seine Vorfahren hatten in den Türkenkriegen oft eine Rolle gespielt und dem Haus Habsburg stets in unverbrüchlicher Treue gedient. Darum erhielt die Familie den Titel »Perpetuus in Komárvár«, so wurden sie erbliche Kapitäne der Festung. Der alte Herr sprach trotz dieser nationalen Vergangenheit ziemlich schlecht Ungarisch, denn er hatte sein ganzes Leben bei der Armee und stets in deutschsprachiger Umgebung verbracht. Nun war er in Pension, machte aber an der militärischen Haltung keine Abstriche, und er trug auch jetzt Uniform: einen grauen Rock mit goldenem Kragen. Ein einziger Orden glänzte weiß unter den zahllosen Dekorationen an seiner breiten Brust: das Maria-Theresia-Kleinkreuz.
Links von der Hausherrin hatte auf einem Seidenkanapee die Gattin des Generals Platz genommen, eine korpulente, alte Deutsche, die jedermann schrecklich langweilte, doch galt sie als äußerst vornehm, da sie über eine morganatische Ehe mit dem bayrischen Königshaus verwandt war. Neben ihr saß Frau Lubiánszky, die aus Somogy ihre
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