Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
»zakatolni« – »rattern« (A.d.Ü.)

Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Angela Merkel mit der Transaktion-ID 3499001 erstellt.
Zweiter Teil

I.
    László Gyerőffy arbeitete sehr eifrig, seitdem er in die kleine, möblierte Zweizimmerwohnung zurückgekehrt war, die noch sein Vormund, der »Orangenmann«, vor viereinhalb Jahren, als er die Universität Klausenburg gegen die Universität Budapest vertauschte, zur Untermiete für ihn besorgt hatte. Eine winzige, bescheidene Wohnung: ein Tagesraum, dessen zwei Fenster auf den Garten des Nationalmuseums blickten, und ein dunkles Schlafkämmerchen auf der Hofseite. Die Möbel waren von jener alten und billigen Sorte, die solche – in den Annoncen unter »eigener Eingang« ausgeschriebenen – Wohnungen charakterisiert. Das Hauptstück im Zimmer stellte einer jener ermüdeten Diwane dar, in deren falschen persischen Überwurf sich der Staub hartnäckig einzunisten pflegt. Ein ausgedienter Lehnstuhl stand noch da, dazu zwei schilfgeflochtene Thonet-Stühle sowie ein furnierter Schubladenkasten.
    Zwei längliche Bilder hingen an den schmutziggrau gestrichenen Wänden, Reproduktionen von Margitay: »Der Unwiderstehliche« sowie »Eifersucht«, auf denen zwei Stutzer, nach der Mode der achtziger Jahre in engen Hosen, gerade dabei waren, einigen Schönen im Tournürenkleid den Kopf zu verdrehen. Außer dem Flügel, der die Hälfte des Zimmers einnahm, fanden sich nur drei persönliche Gegenstände. Eine gerahmte, kolorierte Fotografie zeigte Lászlós Vater in altungarischer Adelstracht, wie er 1867 bei der Krönung als Jüngling unter den Würdenträgern aufgetreten war. László hatte die Aufnahme soeben aus Kozárd mitgebracht. Auf der Kommode lag sodann ein aus feinem Leder verfertigtes Gewehretui. Ein auf zwei Böcke gestelltes Reißbrett in einer Fensternische diente schließlich als Schreibtisch.
    László hatte Abádys Rat beherzigt. Er hörte auf ihn, weil er wusste, dass dieser ihn verstand und ihm wirklich freundschaftlich gesonnen war. An dem in Vásárhely verbrachten Tag und in der Eisenbahn, bis er in Marosludas ausstieg, setzte ihm Bálint wiederholt auseinander, dass er seine Schulden regeln und, wenn er sich für die Musikerlaufbahn entschieden habe, was er sehr begrüße, hart arbeiten müsse. Möglich aber sei das nur, wenn er sich für geraume Zeit vom mondänen Leben verabschiede und sein ganzes Streben darauf richte, die anderen einzuholen, jene Hochschüler, die vom Gymnasium direkt an die Musikakademie gekommen waren. Das letzte Argument erzielte bei László eine besondere Wirkung, da er überaus ehrgeizig war. Geringer zu sein als andere, weiter hinten, in der zweiten Reihe zu stehen, das dünkte ihn unerträglich.
    Einige Wochen verbrachte er in Siebenbürgen mit dem Versuch, sich Geld zu beschaffen. Da sein früherer Vormund, Szaniszló Gyerőffy, in der Frage der Forstwirtschaft von seinem Standpunkt kein Jota abgerückt war, László es aber eilig hatte, nach Budapest zurückzukehren, um sich an der Akademie einzuschreiben, belastete er sein väterliches Gut, das am Szamos lag. Er nahm eine etwas größere Summe auf als die, welche er dem Wucherer schuldete. Er wollte einige tausend Kronen in Reserve haben, um eine Zeitlang sorglos leben zu können. Warum sollte er ständig Briefe an den Gutsverwalter kritzeln und um Geld bitten! Nach seiner Ankunft in Budapest nahm er mit niemandem Kontakt auf, nicht einmal der Kollonich- und Szent-Györgyi-Verwandtschaft.
    Ins Casino, wo er im Frühjahr aufgenommen worden war, ging er kein einziges Mal, damit sich die Nachricht nicht verbreite, er befinde sich in der Stadt. Tagsüber besuchte er die Vorlesungen, verpflegte sich in kleinen Wirtshäusern, abends saß er manchmal im Theater oder im Konzertsaal, doch stets nur auf der Galerie, wo er von Bekannten nicht entdeckt werden konnte. Seine Freizeit widmete er ganz dem Klavierspiel und den Studien. Manchmal stand er schon vor Morgendämmerung auf und begab sich an den unteren Donauquai, ins Lágymányos-Viertel, das damals gerade erst entstand, oder er durchstreifte die felsigen Hänge des Blocksbergs. Und da in seiner Phantasie jedes sich darbietende Bild musikalische Formen annahm, wurden der Lärm des Obst- und Gemüsemarkts, das Rattern und Klingeln der Straßenbahn und das Tuten des Schiffshorns zur Musik: zu merkwürdigen, neuartigen, etwas wilden und chaotischen Themen, die sich zu Klavierstücken formten.
    Die frühen Morgen- und

Weitere Kostenlose Bücher