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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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du da bist, während wir dir kreuz und quer Telegramme nach Siebenbürgen schicken!«, sagte Péter, der ältere Kollonich-Sohn, ein zur Fülle neigender, sehr blonder Jüngling. Er und Klára waren Geschwister. Sie stammten aus der ersten Ehe des Fürsten, der sich eine geborene Trautenbach, ihre Mutter, zur Frau genommen hatte. Dabei glich Péter ganz dem Vater, während Niki, sein Halbbruder, dermaßen ein Gyerőffy-Typ war, dass man ihn für einen jüngeren Bruder Lászlós hätte halten können.
    »Man weiß von dir auch im Casino nichts. Wir haben auch Bálint ein Telegramm geschickt. Auch er antwortete nur so viel, du seist abgereist. Was für eine Geheimnistuerei ist das? Warum? Was ist in dich gefahren?«
    »Nicht wahr? Ich habe gesagt, wir sollten nachsehen und ›im Bau arbeiten‹, ob er nicht drinsteckt«, lachte Niki. Er brüstete sich gern mit den ungarischen Jägerausdrücken, während die anderen Familienmitglieder eher nur die deutsche Waidmannssprache brauchten.
    »Ich lerne hart. Darum habe ich mich zurückgezogen.«
    »Eh, was! Die Prüfungen bringt man ja irgendwie doch stets hinter sich. Und überhaupt, das ist doch kein Grund, uns so gemein zu ›cutten‹«, sagte Péter auf englische Art. »Doch da wir dich erwischt haben, will ich dir auch gleich mitteilen, warum wir dich aufgesucht haben. Die Fasanenjagd beginnt bei uns heute in einer Woche, am zwanzigsten. Am Abend des zwanzigsten ist Versammlung. Drei Tage, wie immer. Du musst unbedingt kommen.«
    László wehrte sich. Er könne an der Musikakademie den Unterricht nicht versäumen. Und nun wiederholte er die gleichen Argumente, die Bálint ihm gegenüber angeführt hatte. Lange erläuterte er seine Gründe.
    Sie wirkten auf die beiden Kollonichs nicht im Geringsten. Nach ihrer Auffassung waren Musikstudien, wie Studien ganz allgemein, nur Nebensächlichkeiten. Man brauchte auch sie, gewiss, sie dienten auch dem Zeitvertreib. Aber eine Fasanenjagd! Eine so erstklassige Fasanenjagd! Wo sie doch nur drei Tage dauert, und da will er nicht kommen! Ihnen schien das völlig unverständlich. Niki verkündete denn auch die einzige annehmbare Erklärung: »Dahinter steckt bestimmt irgendeine Donna. Streite es bloß nicht ab! Wir schnüffeln ein wenig, und in einer Woche wissen wir ohnehin, wer sie ist!«
    »Du musst ganz einfach kommen. Völlig ausgeschlossen, dass du wegbleibst. Auch Papa würde es sehr übelnehmen, wenn du ihn jetzt im Stich ließest, umso mehr, als die Paradegäste grässliche Patzer sein sollen, und Luika, mein Bruder, sowie Toni Szent-Györgyi sind, wie du weißt, bereits in Oxford. Auch sie werden fehlen. Bálint kommt, aber auch er ist nur ein mittelmäßiger Schütze. Gut sind nur wir und Onkel Antal. Wenn wir aber nicht für verlässliche Schützen sorgen, wird die Strecke elend sein! Und das wäre eine fürchterliche Blamage. Zweitausend Hähne muss man erlegen. Ausgeschlossen, ganz ausgeschlossen, dass du wegbleibst!«
    Sie ermunterten ihn lange, zählten ihre Argumente auf: Er zeige kein freundschaftliches, kein verwandtschaftliches Benehmen. Und sie fügten auch hinzu: »Gleich am Abend des letzten Tags kannst du dich zum Teufel scheren!«
    László gab schließlich nach, bestand aber darauf, dass er außer den drei Tagen keine Minute bleiben werde. Beim Abschied lockten sie ihn wieder. Er solle mitkommen und den Abend mit ihnen verbringen. Sie hätten vor, ins »Orpheum« zu gehen. »Vorzügliche Nummern! Hast du etwa kein Geld? Ich habe welches. Ich habe Papa einiges abgeknöpft. Weißt du, zwei rothaarige ›Sisters‹ treten dort auf, wunderbar! Na, komm schon!«
    Diesmal gab aber Gyerőffy nicht nach. Nein, er gehe nicht mit. Er müsse am nächsten Morgen früh aufstehen. Er setzte sich wieder und nahm sein Lehrbuch zur Hand. Angestrengt suchte er sich zu konzentrieren. Die Lehrsätze zum Kontrapunkt verschwammen vor seinen Augen. Irgendwie schaffte er es nicht. Er war zerstreut, sosehr er sich auch zur Aufmerksamkeit zwingen wollte. Schließlich gab er auf. Er zündete das elektrische Licht an, trat zur Schubladenkommde und öffnete das Gewehretui. Es war ein langes, glattes Lederfutteral mit mächtigen Eckverstärkungen und dem modernsten Patentschloss: das gemeinsame Geschenk seiner zwei Tanten, eine luxuriöse Weihnachtsüberraschung vor drei Jahren.
    Er nahm eine der zwei Waffen heraus, eine hahnlose Purdy-Flinte, an deren Kolben eine kleine Goldplatte das Gyerőffy-Wappen zeigte, während man auf den Deckel

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