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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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nicht für die Gestalten, sondern für die Uhrzeiger, die immer weiter vorrückten. Schließlich winkte sie mit einer kaum wahrnehmbaren Geste einem der servierenden Diener.
    »Bitten Sie Fürst Péter zu mir«, sagte Frau Kollonich.
    »Wir müssen eine Kutsche zur Fehérvárer Landstraße schicken«, sagte sie leise zu ihrem Stiefsohn, der sich zu ihr beugte, »vielleicht sind sie irgendwo stecken geblieben.« Und sie fügte noch leiser hinzu: »Your father never cares of anything.«
    Doch kaum war der junge Mann beim Ausgang des Salons angelangt, als sich die Doppeltür auf der Bibliothekseite öffnete. Ein großer und ein breitschultriger, untersetzter Herr traten ein: Montorio und Slawata. Endlich waren sie da.
    Der »Principe«, österreichischer Großgrundbesitzer in Krain, war nur dem Namen nach Italiener. Der adrette, gutaussehende junge Mann sprach auch kein Italienisch. Er war von auffallend brauner Hautfarbe mit einer eleganten angehenden Glatze. Seine hellblauen Augen fielen bei seinem dunklen Teint besonders auf. Der kleine schwarze Schnurrbart unter seiner Nase wirkte wie angeklebt. Er bewegte sich vorwärts mit jenem gleitenden Gang, der Leuten eigen ist, die Auftritte auf dem Parkett gewohnt sind. Slawata war blond, mit kurzer Nase und einem breiten, glattrasierten Gesicht. Er trug eine Hornbrille mit breitem Rahmen.
    Das galt zu jener Zeit als höchst ungewöhnlich, denn nur Monokel oder im schlimmsten Fall randlose Zwicker galten als erlaubt. Aber eine Brille? Sie bedeutete bereits eine Demonstration, unterstrich die eigene Anspruchslosigkeit und die seriöse Hingabe an die Arbeit, sie betonte eine neuartige Weltanschauung. Die Art, wie Slawata sich bewegte, bezeugte dasselbe. Er schritt ein wenig gemächlich, bäurisch. Seine dunkelblaue Kleidung vermied jedes Aufsehen.
    Nach der Begrüßung suchten die neu Angekommenen den Hausherrn auf. Schon wieder störte man Kollonich bei seiner Erzählung. Er kam denn damit auch nicht zu Ende, denn nach einer kurzen Weile hallten schon Gongschläge durch das Haus und meldeten, dass es Zeit sei, sich zum Abendessen umzukleiden. Die Schar der Geladenen strömte aus allen Richtungen herbei und versammelte sich in der Vorhalle, um sich von hier in die verschiedenen Gästezimmer zu begeben, wo ihr Reisegepäck sie schon seit langem erwartete.
    Péter Kollonich trat zu László: »Nicht wahr, du nimmst es uns nicht übel, dass wir dich im Küchentrakt untergebracht haben? So viele Ehepaare und Frauen sind dieses Jahr da, dass wir die Einteilung nicht anders haben vornehmen können. Wir haben gedacht, dass du als nächster Verwandter …« Und er winkte einem der Diener, László hinzuführen.

    Der Diener ging rechts voran. Der Korridor war derselbe wie links, doch lag kein Teppich auf den Kehlheimer Steinfliesen. Sie passierten die gepanzerte Türe der Silberkammer und die Anrichte. Hier wandten sie sich nach links, folgten dem ersten Winkel des Schlossflügels, indem sie die Großküche entlangschritten. Von drüben vernahm man das Klirren von Kupferpfannen, den raschen Takt eines Schaumschlägers und das böse Geschimpfe des Chefkochs. Die würdevolle Stille, die in allen anderen Teilen des Schlosses herrschte, war hier zu Ende. Ein Küchenjunge rief durch eine offene Tür etwas zurück und hastete vorbei; eine Küchengehilfin lief ihnen klappernd entgegen und verschwand in einem Eingang, wo sie die Tür hinter sich zuschlug. Zimmermädchen kamen auf einer schmalen Treppe herunter und eilten an ihm vorbei, hinaus in den Hof und hinüber zum anderen Flügel.
    Niemand grüßte den Gast, alle taten, als sähen sie ihn nicht. Noch einmal ging es rechts und dann bei der zweiten Ecke wieder nach links. Am Ende des Gangs betraten sie das Zimmer, das man László zugewiesen hatte. Dieser Raum schloss den Flügel auf der rechten Seite des Hufeisenhofs ab. Ein schönes, geräumiges Zimmer. Von den herrschaftlichen Gästezimmern drüben unterschied es sich nur dadurch, dass darin keine Stilmöbel standen und die Einrichtung mit einfacheren Stoffen bezogen war. Es übertraf aber auch so bei weitem Lászlós Budapester Mietwohnung. Ihn kränkte es trotzdem schwer, dass man ihn und nur ihn hier, am Ende des Gesindeflügels, einlogiert hatte. Soviel er wusste, pflegte man hier Gastchauffeuren, Elektrikern und Leuten solchen Schlags Quartier zu geben. Péters freundliche Begründung – »als nächster Verwandter« – milderte seine Verletztheit nicht, denn man hatte ja Stefi

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