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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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taten dies solche Leute, die in Simonvásár gelegentlich zu einem Halbtagsbesuch erschienen, und noch mehr die hoffärtigen herrschaftlichen Diener. Sie zeigten ihm ihre Verachtung schon dadurch, dass sie, sofern er allein war, nicht wie stumme Statuen standen, sondern schwankten, sich setzten und oft auch miteinander palaverten. Dergleichen geschah nie, falls jemand, und sei es auch das kleinste Kollonich- oder Szent-Györgyi-Kind, freie Sicht auf die Diener hatte.
    In die Erwägung seiner Erinnerungen vertieft, wurde er vom zweiten Gongschlag aufgeschreckt. Rasch, rasch! Er musste sich umziehen, denn in fünf Minuten würde man servieren.

II.
    Er betrat die Bibliothek in letzter Minute, als die zum Nachtmahl versammelte Gesellschaft schon dabei war, hinüber zum Essen zu schreiten. Der greise Kanizsay führte die Hausfrau unter altmodischen Höflichkeitsbezeugungen. Hinter ihnen, ebenfalls Arm in Arm, die anderen Paare. László schloss sich der Nachhut seiner Cousins an, jenen, für die sich keine Damen mehr gefunden hatten. Durch das längliche Musikzimmer gelangten sie in den Esssaal.
    In seinen Proportionen war er eine genaue Kopie des »Marmorsalons«, der auf der anderen Seite das Mittelgebäude abschloss: anderthalb Stockwerke und buttergelbe, stuckbedeckte Wände auch indiesem Raum. Hier indessen war schon spürbar, dass die Ausschmückung aus den späten dreißiger Jahren, dem Ende der klassizistischen Periode stammte. Bunte Rosengirlanden mit weichen, gerundeten Ecken umsäumten Flächen aus Kunstmarmor, und in der Mitte des Tafelwerks an der Wand befanden sich barocke Medaillons, auch sie aus Blumen geformt, die bewegt große Rosensträuße umfingen. Dieser glattgeschliffene Blumenzierrat aus Marmorgips verlieh dem sonst in strengen Linien gehaltenen Saal eine gewisse feierliche Wärme. Ein gewaltiger, sehr breiter Tisch stand in der Mitte. Das weiße Tischtuch verschwand beinahe unter der Vielzahl der darüber verstreuten, aus Silber geschmiedeten Gegenstände.
    Da gab es wohl acht mehrarmige, mit Ziegenbockköpfen und -füßen geschmückte Kerzenhalter, drei riesige, eiförmige, ovale Vasen, über deren Rand metallene Akanthusblüten emporstiegen, neben größeren Gegenständen zahllose höhere und niedrigere zugedeckte Töpfe, zwischen deren auf- oder seitwärts gestreckten Doppelhenkeln Tannenzapfen oder Ananasfrüchte heraufragten. Alle Objekte waren griechischer Art, jedoch ohne die glatten Formen des frühen Empire, vielmehr hatte man jede gerade oder gewölbte Fläche, jedes Stück verschwenderisch mit runden und durchbrochenen Formen, mit Perlen, Weinbeeren und Blättern geschmückt. All das hätte sich überaus unruhig, übertrieben üppig und formenreich dargeboten, wenn das Licht, das die Kerzen der Kandelaber und die elektrischen Birnen an der Decke verströmten, die Unmenge von Zierrat nicht verschluckt und in einem einzigen Glanz aufgelöst hätte. Dies war das berühmte Sina-Tafelservice, eine richtige Schatzkammer, von Wiener Goldschmieden für den königlichen Bankier erschaffen.
    Die Gesellschaft nahm Platz um dieses Leuchten, der Hausherr und die Hausherrin in der Mitte der Längsseiten. Und das Mahl begann. Es begann in jener Stille, die den Festessen gewöhnlich eigen ist, in einer fast kirchlichen Andacht, bei der die Gäste die fromme Gemeinde und der steinern blickende Butler mitsamt seinen Helfern den zelebrierenden Klerus vertreten. Diese bewegten sich liturgisch, lautlos und mit einer unbeirrbaren Genauigkeit. Kein Teller klapperte, kein Glas klirrte. Manchmal nur, wenn der Butler oder der Paradejäger einschenkte, ließen sie einige rätselhafte Worte fallen: »Chateau Margot 82« oder »Liebfrauenmilch 56«. Nur so viel murmelten sie, bevor sie weiterschritten.
    Unter der Wirkung der edlen Weine und der zu Unkenntlichkeit verzauberten, aber hervorragenden Speisen setzte dann die Konversation doch ein. Die Nachbarn wandten sich einander paarweise zu, sie nickten, sie lächelten. László wurde von Magda Szent-Györgyi, seiner Nachbarin, angesprochen. »Schöne Dinge, die wir über dich hören«, sagte sie unerwartet, und dann blickte sie schelmisch und mit einer jähen Kopfbewegung zur Seite, wie das Vögel zu tun pflegen. László verstand ihre Anspielung nicht.
    »Oh, streite es doch nicht ab«, raunte sie, die Laute zwischen den feinen roten Lippen dämpfend, »wir wissen ohnehin, warum du dich seit Monaten in Budapest vor der Welt versteckst.« Ihre Zungenspitze kam in

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