Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
Calvinist ist. Gerade für diese Aufgabe eignet er sich! Dafür eignet er sich!«
    Frau Kollonich warf einen raschen Blick auf Bálint. Er war in der Runde der einzige Protestant. Vielleicht wollte sie die Taktlosigkeit ihres Mannes vertuschen, indem sie sich gerade in diesem Augenblick erhob. Die Tischgesellschaft löste sich auf. Plaudernd, ziemlich laut verließ sie den Esssaal, nicht so feierlich, wie sie eingezogen war. Nur die Diener bewahrten ihre unveränderliche Marmorruhe. In der Bibliothek und in den Salons servierte man schwarzen Kaffee, französische Liqueurs sowie Whisky und Soda für die Anglomanen. Palaver überall. Dann Tanz im Klaviersaal zu Musik aus dem Grammofon. Frau Berédy drehte sich in der Runde in Lászlós Arm.
    »Sie tanzen gut«, sagte die Frau, »Sie haben ein ausgezeichnetes rhythmisches Gefühl.«
    »Ich bin Musiker«, antwortete der junge Mann.
    »Interessant! Klavier?«
    »Auch. Und Violine.«
    Er gab nur mechanisch Antworten, denn er beobachtete Montorio, der mit Klára Walzer tanzte. Wie dieser Mann sich beugt, wie nah er an sie herangeht! Das dürfte er nicht tun. Das ist schon fast ungehörig!
    »Ich singe. Mezzosopran«, sagte die Frau. Und dann wieder: »Können Sie Gesang begleiten?«
    »Vielleicht. Ich habe es noch nie versucht.«
    »Dann wollen wir es versuchen«, lachte Fanny, blickte dem Mann ins Gesicht, und ihre Hand fasste ihn ein bisschen stärker an der Schulter.
    László antwortete nicht.
    Wirklich unziemlich, wie dieser Mann tanzt, dachte er. Und wie ungesund seine Hautfarbe ist; vielleicht leidet er an irgendeiner Krankheit. Und er sah hasserfüllt zu, wie sich der Principe mit seinem winzigen schwarzen Schnurrbart Kláras Ohr näherte und dem Mädchen etwas zuflüsterte. Sie lachte hell auf und wandte den Kopf ab. Ihre Augen begegneten Lászlós Blick, und sie lächelte ihm herzlich zu.
    »Ich lasse morgen meine Noten kommen.«
    »Ja, gewiss«, erwiderte Gyerőffy, und bei sich dachte er: Wie süß ist sie, Klára, so süß und gut …
    Sie tanzten lange. Als sie endlich auseinandergingen, war Mitternacht schon längst vorbei.

    László begab sich allein in sein Zimmer. Im langen Korridor brannte nur in den Ecken eine Birne. Als er an der Diensttreppe vorbeiging, erblickte er Szabó, den Butler, der sich einige Stufen weiter oben an die Wand lehnte. Er trug keinen Frack mehr, sondern eine graue Jacke. Offenbar erwartete er jemanden.
    László entkleidete sich schnell und legte sich zu Bett. Doch nun spürte er, dass er im überheizten Zimmer nicht würde schlafen können. Er versuchte das Fenster zu öffnen, kam aber mit den anderthalb Klafter hohen Flügeln nicht zurecht; vielleicht musste man einen Kniff kennen, um sie aufzutun. Einen Spaltbreit öffnete er also die Tür zum Gang. Er hatte sich schon eine Weile wieder zurückgelegt und das Licht gelöscht, als im Korridor auf der Hofseite die Glastür klirrte. Rasche Frauenschritte klapperten auf den Steinfliesen, dann vernahm er leise gewechselte Worte. Ein Mann und eine Frau sprachen. Nur Bruchteile ihrer Rede erreichten verständlich sein Ohr: »Nein, nein! Herr Szabó! Nein! Wirklich … ich bin keine solche!«
    Darauf ein herrischer, tiefer Bariton: »Mach keine dummen Geschichten! Du weißt genau, dass das mit mir nicht geht … du weißt genau …«
    Er hörte nur so viel, dann wischte der Schlaf alles aus.

    5 Etliche von Kanizsays Sätzen deutsch im Original (A.d.Ü.)

III.
    Es war neun Uhr.
    Die Schützen versammelten sich im Esssaal zum Frühstück. Sie waren – zwölf an der Zahl – einzeln gekommen und hatten sich zu Tisch gesetzt. Ein jeder wirkte recht verstimmt und unausgeschlafen.
    Alle erschienen in Jagdkostüm, versteht sich, und alle waren verschieden gekleidet. Dennoch zeigte sich klar, dass sie zwei Modeströmungen folgten, zu zwei entgegengesetzten Parteien gehörten. Die österreichische Waidmannstracht stand für eine der Richtungen. Ihr huldigten – mit Szent-Györgyi als Ausnahme – die älteren Herren: der Gastgeber, der greise Kanizsay und Lubiánszky. Sie trugen graue Lodenmäntel mit grünem Revers, grüner Jacke und Hirschgeweihknöpfen, zerschlissene, abgenutzte Kleidungsstücke samt und sonders, manch eines auch mit Leder geflickt, da es durch langjährigen Gebrauch fadenscheinig geworden war. Hielte man sie für bessere Wildhüter, dann würden sie das gewiss freudig begrüßen, denn ihre altmodische Kleidung sollte nichts anderes verkünden, als dass sie ihre ganze Zeit

Weitere Kostenlose Bücher