Die Schuhliebhaberin - Moore, M: Schuhliebhaberin
seine Mutter könnte ihn mit nach Hause nehmen. Ich habe ihm grad gesagt, dass Ms Sharpe auf einer Geschäftsreise ist.«
Amanda atmete tief durch. Nur für den Fall, dass Tom bis jetzt nicht aufgefallen war, dass ihr Bolerojäckchen aufklaffte, und obwohl ihre maßgeschneiderte Leinenbluse blickdicht war, man erkennen konnte, dass sie darunter keinen BH trug. Sein Blick verriet ihr, dass ihm dieses wichtige Detail nicht entgangen war.
»Armer Tom«, gurrte sie. »Wir können dich hier ja nicht stranden lassen, oder?« Sie blickte auf ihre neue Platinarmbanduhr von Cartier. »Es ist noch ein bisschen zu früh für meine Mittagspause, aber es gibt um die Ecke ein ziemlich nettes Café, in dem man um diese Zeit noch brunchen kann. Ich wette, du bist hungrig. Wie wäre es, wenn ich dich zum Essen einlade und dann nach Hause bringe?«
Der Junge wurde rot. »Danke, Ms Garland«, stotterte er. »Das wär echt mal cool.«
»Ich werde für den Rest des Tages außer Haus sein«, sagte Amanda an Nola gewandt. »Falls mich jemand sprechen will, bin ich morgen wieder da.«
Nola blickte erst Tom und dann Amanda an. Ihr Blick wanderte wieder zu Tom. Mit perfekt neutraler Stimme bemerkte sie: »Ich weiß, dass Sie gut auf Sophies kleinen Jungen aufpassen werden, Ms Garland. Bei Ihnen ist er in guten Händen.«
Tom stieß wütend hervor: »Ich bin kein kleiner Junge!«
»Das ist alles relativ«, gab Nola zurück. »Ist nicht böse gemeint, Süßer.«
Amanda warf der jungen Frau einen Blick zu, mit dem sie ihr für später Konsequenzen androhte. Dann scheuchte sie Tom aus dem Eingangsbereich. »Wie ich sehe, liest du gerade Marlowe. Ist ja spannend. Du musst mir alles erzählen ...«
Im Big Buffet stocherte Amanda in einem Salat herum und hörte nur mit einem Ohr zu, wie Tom sein »gelehrtes« Wissen über Christopher Marlowe kundtat – wie der Dichter seinen Tod in einer Kneipenschlägerei vorgetäuscht hatte (schließlich war er Dramatiker und liebte theatralische Auftritte), nur um später als William Shakespeare wiederaufzuerstehen. Die meiste Zeit aber verschlang sie ihn mit Blicken. Seine Haut war strahlend und rein, es gab keine Spur von Akne oder Bartwuchs. Er hatte große, sanfte braune Augen, eine kleine Nase und einen Knospenmund, der eher zu einem launischen kleinen Mädchen gepasst hätte.
Wenn sie mit ihm Sex hätte, wäre das fast schon ein sapphischer Akt. Und der Gedanke war alles andere als unangenehm.
Während Amanda die Bestandteile ihres Salats auf dem Teller von links nach rechts schob und ein paar Bissen von den Meeresfrüchten aß, verdrückte er eine gewaltige Portion Rührei mit Würstchen und krossem Speck. Dazu gab es Roastbeef auf Toast, und nachdem er diesen Berg vertilgt hatte, holte er sich noch mehr vom Büffet. Der einzige Hinweis auf eine Ernährungsweise, die viel eher seinem androgynen Aussehen entsprochen hätte, war ein Stück Spinatquiche.
Nachdem sein Diskurs über Marlowes Leben und Arbeit schließlich versiegt war, fragte Amanda: »Wie ich sehe, liest du auch Tea and Sympathy. Wird das in deinem Englischkurs besprochen?«
Bevor sie Roger begegnet war, hatte Amanda sich als Schauspielerin versucht. Später landete sie bei einer Laienschauspieltruppe, hatte dieses Hobby dann aber irgendwann aufgegeben. Aber sie hatte genug Erfahrung, um in Gesichtern zu lesen. Tom hielt seinen Blick auf ihre Brust geheftet. Dann blickte er hoch und wandte den Kopf im selben Moment zur Seite, während er die Lippen spitzte und konzentriert die Stirn runzelte. Er hätte genauso gut laut sagen können: »Das ist, was ich haben will, und jetzt lege ich mir einen Schlachtplan zurecht, um meine kleinen schmierigen Hände auf diese Brüste zu legen.«
Seine Miene heiterte sich auf. Den Blick nun wieder auf den Teller gerichtet, murmelte er: »Ich lese es einfach, weil es mich interessiert, Ms Garland.«
Um ihm die Sache ein bisschen zu erleichtern, bohrte Amanda nach. »Gibt es auch Mädchen an deinem College?«
Er schüttelte den Kopf.
»Das muss schwierig für dich sein. Und verwirrend! Es ist nur natürlich, wenn du in diesem männlich dominierten Mikrokosmos ein paar Jungs begegnest, die du verehrst, oder andere, für die du einen Beschützerinstinkt entwickelst. Wenn man dann noch die ... ähm ... körperlichen Veränderungen bedenkt, die ein Mann in deinem Alter durchmacht, ist es erstaunlich, wenn du nicht an deiner Männlichkeit zweifelst.«
»Oh, ich hab keine Zweifel«, stieß Tom hastig
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