Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
ihrem Apartment am Bayou Teche ankamen, brachte er sie die Treppe hinauf und wollte ihr gute Nacht sagen.
»Nein, komm rein. Ich führe mich auch nicht mehr auf wie eine Geistesgestörte. Ich gehe kurz unter die Dusche. Du kannst ja derweil fernsehen. Danach mache ich dir was zu essen«, sagte sie. Dann knickte sie um, als sie durch die Schlafzimmertür gehen wollte, warf einen Schuh an die Wand und zog die Tür hinter sich zu.
Clete hörte, wie sie an den Reißverschlüssen und Haken ihres Kleides zerrte. Er faltete seine Smokingjacke zusammen und nahm den Schlips ab, setzte sich auf die Couch und schaute sich einen Boxkampf an, der auf einem der Sportkanäle lief. Er versuchte nicht an Barbara Shanahan zu denken, die jetzt unter der Dusche stand. Als sie wieder aus dem Schlafzimmer kam, hatte sie eine verblichene Jeans, einen blauen Frotteepulli und Indianermokassins an. Ihr Haar war feucht, die Haut rosig vom heißen Wasser. Aber ihre Augen wirkten stumpf und verkatert, und sie sprach mit heiserer Stimme, geriet immer wieder ins Stocken, als ob sie in Gedanken ganz woanders wäre.
Sie holte ein paar Eier aus dem Kühlschrank und schlug sie in eine Pfanne.
»Geht dir irgendwas durch den Kopf? Kann ich dir vielleicht irgendwie weiterhelfen?«, sagte er.
»Ich dachte, ich kandidiere für den Posten des Bezirksstaatsanwalts. Damit ich wirklich was ausrichten kann, du weißt schon – mehr Übeltäter wegsperren, die Umweltsünder drankriegen und so weiter und so fort. Was für ein Witz.«
»Nein, ist es nicht«, sagte er.
Sie ließ ein Ei fallen und schaute teilnahmslos zu Boden. »Tut mir Leid, Clete. Mir geht’s nicht besonders«, sagte sie.
Er wischte mit einem Geschirrtuch den Boden auf, wrang es über der Spüle aus und warf die Eierschalen in einen Mülleimer. »Ich sollte lieber gehen«, sagte er.
»Das musst du nicht.«
»Vermutlich wäre es besser.«
»Du brauchst nicht zu gehen«, sagte sie. Sie hatte das Gesicht abgewandt und schaute zu den Straßenlaternen auf der Zugbrücke.
Dann schloss er sie wider besseres Wissen in die Arme, obwohl ihm sein Gefühl sagte, dass er die Situation nicht ausnutzen, nicht den Lückenbüßer spielen sollte. Er nahm den Duft ihrer frischen Kleidung wahr, den Geruch des Puders, den sie sich auf die Schultern gestäubt hatte, den Parfümhauch hinter ihren Ohren. Sein Bizeps schwoll an wie ein unter Hochdruck stehender Feuerwehrschlauch, als er über ihren strammen Rücken strich, über die harten Muskeln an ihrer Taille.
»Du hast Mumm«, sagte er.
»Eigentlich nicht«, sagte sie.
»Du fühlst dich klasse an. Mann, fühlst du dich klasse an«, sagte er und rieb seine Wange an ihrem Haar, tätschelte ihren Rücken und schloss die Augen, als er den Duft und die Hitze einatmete, die von ihrem Hals aufstiegen.
»Du auch. Aber Clete ...«, sagte sie beklommen.
»Was ist denn?«, fragte er und schaute sie erschrocken an.
»Du stehst auf meinem Fuß.«
Von ihrem Schlafzimmerfenster aus konnte er über die Veranda schauen und die Spitzen der Bananenstauden unten im Garten sehen, das alte graue Kloster auf der anderen Seite des Bayous und das Moos an den Eichen, die über dem Klosterdach aufragten. Er sah einen Milchlaster vorbeifahren, wie ihn einst sein Vater gefahren hatte, und dachte darüber nach, was ein Milchlaster zu so später Stunde auf einer einsamen, von Laternen beschienenen Straße zu suchen hatte. Aus irgendeinem Grund hatte er mit einem Mal Bilder aus seiner Kindheit vor Augen: ein Streichriemen, ein stämmiges Kind, das zur Schule ging, gegen den Wind gebeugt, eine Papiertüte mit einem Erdnussbuttersandwich und einem Apfel zum Mittagessen in der Hand. Clete atmete tief durch und versuchte die Bilder loszuwerden, überlegte, wie viel er an diesem Abend getrunken hatte, fast so, als müsste er sich irgendwie beruhigen.
Er fühlte sich alles andere als wohl, als er sich vor ihr auszog, war sich seiner Leibesfülle nur zu bewusst, der goldenen Haare auf seinem Rücken und den Schultern. Sie lag auf der anderen Seite des Bettes und hatte die Haare auf dem Kissen ausgebreitet, wo sie wie Feuerglut schimmerten.
»Stört dich irgendwas, Clete?«, fragte sie.
»Nein, ganz und gar nicht«, log er.
Er legte sich neben sie und küsste sie auf den Mund, berührte ihre Brüste und den Bauch und spürte, wie er an ihren Schenkeln steif wurde. Aber er kam sich schwerfällig vor, unbeholfen, stieß sie ständig mit den Knien, sodass sie zusammenzuckte.
»Ich
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