Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
vernuschelten Akzent, dieser Marvin Soundso? Wo wohnt der?«, fragte er.
Tags darauf, am Samstag, stellte Clete sein Auto in meiner Auffahrt ab, überquerte den Fahrweg und kam zur Bootsrampe herunter, wo ich eine Leiter an einen der Stützpfeiler gelehnt hatte und die faulig gewordenen Holzteile mit Termitengift und Teer strich. Schwerfällig ließ er sich in einem der Außenborder im Schatten des Bootsstegs nieder und berichtete mir, was letzte Nacht vorgefallen war.
»Du hast Marvin Oates eine Abreibung verpasst?«, sagte ich.
»Yeah, ich glaube, das kann man so sagen«, erwiderte er. Er zupfte an seiner Nase und schaute ins Leere. »Er hat mir gesagt, dass er die Bibel am frühen Abend dort hingelegt hat.«
»Ich glaube, du hast den Falschen erwischt. Marvin raucht nicht.«
»Auf dem Armaturenbrett von seinem Auto lag eine Schachtel Zigaretten«, sagte Clete.
»Ohne Filter?«
»Nein.«
»Ich glaube, du bist an den Falschen geraten, Clete. In mehr als einer Hinsicht.«
»Was soll das heißen?«
»Dass offenbar jedem, der Marvin ein Haar krümmt, irgendwas Schlimmes zustößt.«
»Warum habe ich bloß dieses komische Gefühl gehabt, als ich den Milchlaster gesehen habe, der am Kloster vorbeigefahren ist?«, fragte er.
»Vielleicht geht es dir genauso wie mir. Du fragst dich, wer du bist, woher du kommst und was aus dir werden soll. Das hat etwas mit dem Wissen um die eigene Vergänglichkeit zu tun.«
»Mein alter Herr war manchmal ganz in Ordnung. Er hat mich zum Baseball mitgenommen und ist mit mir Forellen angeln gegangen. Aber dann hat er sich wieder besoffen und gesagt, dass ich sowieso bloß ein Blindgänger bin.«
»Wird Zeit, dass du das mal loswirst, Cletus.«
»Meinst du, Barbara und ich sollten vielleicht Ernst machen? Ich meine damit heiraten, Kinder kriegen und dergleichen mehr?«
Er hob den Kopf und schaute mich von der Sitzbank seines Bootes aus an, während das Wasser um den Aluminiumrumpf schwappte und ein Sonnenstrahl durch die Ritzen im Steg fiel und ihm die Tränen in die Augen trieb.
Am späten Nachmittag gingen Alafair, Bootsie und ich zur Messe. Nachdem ich sie wieder nach Hause gebracht hatte, fuhr ich zum Iberia General und erkundigte mich am Empfang nach der Zimmernummer von Sonny Bilotti. Ich kaufte im Geschenkladen eine Illustrierte und ging den Korridor entlang zu dem Zweibettzimmer. Bilotti lag allein in dem Zimmer, auf Kissen gestützt, die Kinnlade mit Drähten fixiert, die Augen eingeschwollen, die Lippen mit schwarzen Fäden vernäht. Auf dem Fensterbrett standen allerlei Nelken- und Rosensträuße, die den Mann in dem Bett, der so schlimm zusammengeschlagen worden war, wie ich es selten gesehen hatte, aber offenbar auch nicht trösten konnten.
»Ist Ihr Freund schon entlassen worden?«, fragte ich.
Er antwortete nicht, ließ mich aber nicht aus den Augen, als ich durch das Zimmer ging und einen Stuhl an sein Bett zog.
»Hier ist ein Esquire, fall Sie etwas zu lesen brauchen«, sagte ich. »Ich heiße Dave Robicheaux. Ich bin Detective bei der Sheriff-Dienststelle des Bezirks Iberia.«
Bevor er etwas sagen konnte, hörte ich hinter mir jemanden. Ich drehte mich um und sah Zerelda Calucci in der Tür stehen. Sie trug weiße Jeans, Cowboystiefel und ein schwarzes Harley-Davidson-T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln.
»Scheiße«, sagte sie.
»Hier handelt es sich um eine dienstliche Angelegenheit, also gehen Sie bitte raus«, sagte ich.
»Ich habe mit Clete Purcel noch ein Hühnchen zu rupfen. Wo ist er?«, erwiderte sie.
»Ich glaube, Sie haben mich nicht recht verstanden«, sagte ich. »Sie sollen uns allein lassen.«
Sie lehnte sich an den Türrahmen, sodass ihr die schwarzen Haare fast bis auf die Brust fielen, verschränkte die Arme und kaute auf ihrem Kaugummi herum. »Denn leg mir doch Handschellen an, Schätzchen. Ich werde ganz feucht, wenn ich bloß dran denke«, sagte sie.
»Sie warn mal im First District. Ein Suffkopf, der früher immer in Joe Burtons Pianobar an der Canal Street rumgehangen hat«, mischte sich Sonny Bilotti mit tonloser, gepresster Stimme ein, ohne den Kopf zu bewegen.
»So ist es, Partner«, sagte ich. »Es geht das Gerücht, dass Sie in Marion einen Typ von der Arischen Bruderschaft erstochen haben. Sie müssen Schneid haben, wenn Sie sich mit der AB angelegt haben, Sonny. Lassen Sie einen Drecksack wie Legion Guidry nicht so einfach davonkommen. Zeigen Sie ihn an, dann haben wir ihn am Wickel.«
Bilotti wandte leicht den
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