Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Kopf um, sodass er mich anschauen konnte. Seine Augen glänzten wie Obsidian, aber sein Blick war unstet, flackernd, so als dächte er nach oder hätte etwas Neues über sich erfahren, das ihm bis ans Ende seiner Tage zu schaffen machte.
»Haben Sie Schiss vor diesem Kerl, Sonny?«, sagte ich.
Sein Blick wanderte zu Zerelda.
»Sie sind hier fertig«, sagte sie zu mir.
»Wenn Sie es so wollen«, sagte ich und ging hinaus.
Sie folgte mir, als ich das Krankenhaus verließ und hinaus auf den Parkplatz ging, der im Schatten der Bäume lag. Die Luft war warm und golden und roch nach dem Rauch der Laubfeuer, die am Samstagnachmittag brannten.
»Ich habe mich ein bisschen über Sie erkundigt. Sie waren im gleichen Krankenhaus. Jemand hat Ihnen sämtliche Knochen poliert. Möglicherweise mit einem Totschläger. Ich habe das Gefühl, dass es Legion Guidry war«, sagte sie.
»Na und?«, erwiderte ich und schaute zur anderen Seite der Straße, auf den Bayou.
»Sie haben ihn nicht angezeigt. Sie wollen Sonny dazu benutzen, um es ihm heimzuzahlen. Weil Sie nicht den Mumm haben, ihm selber ans Leder zu gehen«, sagte sie.
Ich wandte mich von ihr ab und ging zu meinem Pickup. Aber sie war noch nicht mit mir fertig. Sie vertrat mir den Weg zur Tür.
»Guidry hat irgendwas mit Ihnen gemacht, für das Sie sich schämen, nicht wahr?«, sagte sie.
»Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir aus dem Weg gingen.«
»Kann ich mir denken. Aber noch ein kurzer Tipp. Halten Sie sich an Perry LaSalle, wenn Sie Zoff mit Legion Guidry haben. Er hat Guidry den Job beim Kasino besorgt. Und vielleicht fragen Sie sich mal, warum Perry so gute Beziehungen zum Kasino hat.«
»Dürfte ich vielleicht erfahren, aus welchem Grund Sie so wütend auf mich sind?«, fragte ich.
»Na klar«, antwortete sie. »Sonny Bilotti ist mein Cousin, und Sie sind ein Arschloch.«
20
Am Sonntagmorgen wachte ich früh auf und fuhr 241 Meilen weit nach Houston, dann verirrte ich mich irgendwo in der Nähe des Hermann Parks und der Rice University in einem Gewitterregen. Als ich schließlich das Texas Medical Center und die Klinik fand, in der sich die Frau des Sheriffs eine Woche zuvor einer doppelten Brustamputation hatte unterziehen müssen, hatte der Regen die Straßen überflutet und prasselte auf die Dächer der Autos, die am Straßenrand hielten, weil die Fahrer durch die Windschutzscheibe nichts mehr sehen konnten. Ich stellte den Pickup in einem Parkhaus ab, rannte dann über die Straße und war klatschnass, als ich die Klinik betrat.
Sie schlief. Desgleichen der Sheriff, der sich auf zwei zusammengeschobenen Sesseln eingerollt und eine Decke bis unters Kinn gezogen hatte. Ich ging zurück zum Schwesternzimmer. Niemand war da, bis auf einen Arzt in OP-Kleidung. Er war ein großer Mann mit ergrauenden Haaren, der etwas auf ein Klemmbrett schrieb. Ich fragte ihn, ob er wüsste, wie es der Frau des Sheriffs ging.
»Sind Sie ein Freund der Familie?«, fragte er.
»Ja, Sir.«
»Sie ist ein Schatz«, sagte er und wandte die Augen ab, damit ich seinen Blick nicht deuten konnte.
»Ist der Blumenladen unten offen?«, fragte ich.
»Ich glaube ja«, sagte er.
Auf dem Weg zum Ausgang besorgte ich einen Strauß bunter Blumen und ließ ihn zur Frau des Sheriffs schicken. »Von Ihren Freunden in der Dienststelle«, schrieb ich auf die Karte und fuhr nach New Iberia zurück.
Tags darauf, am Montagmorgen, waren sowohl der Sheriff als auch ich wieder im Dienst. Ich klopfte an seiner Bürotür und ging hinein. »Haben Sie einen Moment Zeit?«, sagte ich.
Er saß an seinem Schreibtisch, trug einen Nadelstreifenanzug und ein türkises Westernhemd, hatte müde Augen und versuchte nicht zu gähnen. »Sie klingen, als ob Sie erkältet sind«, sagte er.
»Bloß ein bisschen verschnupft.«
»Sind Sie in den Regen geraten?«
»Eigentlich nicht.«
»Was gibt’s?«, fragte er.
Ich zog die Tür hinter mir zu.
»Legion Guidry war derjenige, der mich mit einem Totschläger bearbeitet hat. Als er fertig war, hat er mich an den Haaren festgehalten, mir die Zunge in den Mund gesteckt und mich als Weibsstück bezeichnet«, sagte ich.
Eine Zeit lang herrschte Stille. Der Sheriff rieb sich mit den Fingern über den Handrücken.
»Haben Sie sich geschämt, mir das zu erzählen?«, sagte er.
»Kann sein.«
Er nickte. »Schreiben Sie es auf und besorgen Sie sich einen Haftbefehl«, sagte er.
»Das haut nicht hin. Nicht nach so langer Zeit«, sagte ich.
»Wenn nicht,
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