Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
dann nur deswegen, weil Sie Jimmy Dean Styles auseinander genommen haben.«
»Erklären Sie mir das noch mal?«
»Sie tun alles in Ihrer Macht Stehende, um die Leute davon zu überzeugen, dass Sie ein gewalttätiger, haltloser und gefährlicher Mann sind. Besorgen Sie sich einen Haftbefehl. Niemand schlägt einen Mitarbeiter meiner Dienststelle zusammen. Ich will diesen Dreckskerl hinter Schloss und Riegel haben.«
Ich setzte zu einer Erwiderung an, entschied dann aber, dass ich genug gesagt hatte.
»Ich glaube, Sie hatten noch einen anderen Grund dafür, dass Sie das nicht gemeldet haben«, sagte der Sheriff. »Ich glaube, Sie hatten vor, Guidry selber kaltzumachen.«
»Selbsterkenntnis war noch nie meine Stärke.«
»Richtig«, sagte er.
Ich stand auf und wollte gehen.
»Einen Moment noch«, sagte der Sheriff.
»Sir?«
Er fasste sich an die kahle Stelle mitten auf seinem Kopf, schaute mich dann lange an. »Meine Frau und ich haben uns über die Blumen gefreut«, sagte er.
Ich blieb unter der Tür stehen, schaute ihn verdutzt an.
»Ich habe Sie gesehen, als Sie aus dem Blumenladen im Krankenhaus kamen. Aus Ihnen werde ich nie schlau werden, Dave. Das ist nicht unbedingt ein Kompliment«, sagte er.
Vermutlich hätte ich erleichtert sein sollen, nachdem ich dem Sheriff reinen Wein eingeschenkt hatte. Genau genommen hätte es sogar ein herrlicher Tag sein müssen. Aber ich war nach wie vor ruhelos, unzufrieden und gereizt, ohne etwas dagegen unternehmen zu können, und die fünf Meilen, die ich an diesem Abend joggte, die Liegestütze, das Bankdrücken und die Armbeugen mit Hanteln, die ich im Garten hinter meinem Haus machte, halfen nur wenig gegen den Druck, der mir den Schädel einschnürte, und die Spannung, die mir in den Fingern kribbelte. In dieser Nacht meinte ich Raupen zu hören, die in einem Haufen nassem Maulbeerlaub unter dem Fenster fraßen, und ich drückte mir das Kissen auf den Kopf, damit ich das Geräusch nicht mehr hören musste.
Ich träumte, dass ich eine Klasse Polizeischüler an einem städtischen College im Norden von Miami unterrichtete. In meinem Traum war ich im Zuge eines Austauschprogramms zwischen dem NOPD und den Strafverfolgungsbehörden des Staates Florida dort hingeschickt worden, aber mein dortiger Aufenthalt, der eigentlich eine Art Urlaub in der Sonne hätte sein sollen, geriet zu einer Sauftour durch die Bars neben den Rennbahnen in Hialeah und beim Gulfstream Park. Unrasiert, nach Zigarettenqualm und Schnaps stinkend, mit einem Gefühl, als hätte ich Watte im Mund, trat ich vor die Klasse, überzeugt davon, dass ich die Stunde auch ohne Notizen oder einen Lehrplan irgendwie hinter mich bringen und dann eine Bar in Opa-Locka suchen könnte, wo ein Wodka-Collins sämtliche Schlangen in ihre Körbe zurückscheuchen würde.
Dann stand ich am Lesepult, und mir wurde mit einem Mal klar, dass ich zusammenhanglosen Unsinn daherredete, mich heillos blamierte, und dass die Kadetten, die mich stets mit Hochachtung behandelt hatten, mit gesenktem Blick auf ihre Tische starrten, weil ihnen mein Auftritt peinlich war.
Der Traum war keine Schimäre, die meinem Unterbewusstsein entsprang, sondern die genaue Wiedergabe eines Vorfalls, der tatsächlich stattgefunden hatte, und als ich kurz vor der Morgendämmerung aufwachte, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich nach wie vor ein Säufer war, nach wie vor soff, immer noch dem Alkohol verfallen und in dem Netz gefangen war, das mir jahrelang bei Tag und Nacht Schmerz und Leid bereitet hatte.
Ich duschte und rasierte mich und ging zur Frühmesse in die Sacred Heart, blieb danach allein in der Kirche und betete den Rosenkranz. Aber als ich ins Tageslicht hinausging, brannten die Sonne und die Feuchtigkeit wie Flammen auf meiner Haut, und ohne jeden Grund ballte ich immer wieder die Fäuste.
Legion Guidry kam um zehn Uhr morgens auf Kaution frei. Eine Stunde später sah ich ihn, als er die Main Street überquerte und zum Mittagessen in Victor’s Cafeteria ging. Einen Moment lang hatte ich den Geschmack von seinem Tabak und Speichel im Mund und roch den Männerschweiß an seiner Kleidung. Ich sehnte mich danach, die Finger um den geriffelten Griff meiner 45er zu schließen, den schweren, kalten Stahl zu spüren, das Gefühl zu genießen, wenn die perfekt ausbalancierte Waffe sicher in meiner Hand lag.
Zerelda Calucci hatte zwei Tage lang Ausschau nach Clete Purcel gehalten. Dann hatte sie erfahren, dass er einen Ausgebüxten an
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