Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
den Nachtclub. Oder wo immer du auch herkommst. Aber halte dich von diesem Mann fern. Wo ist überhaupt dein Vater?«, sagte er und schloss die Tür hinter ihr. Dann drehte er sich um, hatte einen Moment lang das Gefühl, als könnte ihm jederzeit jemand in den Rücken fallen.
Legion schaute ihn mit ausdrucksloser Miene an. Sein Gesicht war weiß wie ein Fischbauch, von steilen Falten zerfurcht. Er zog an seiner Zigarette, bis die Asche aufglühte und das Papier trocken knisterte.
»Sie haben grad einen Fehler gemacht«, sagte er.
»O ja, inwiefern?«, fragte Joe.
»Ich hab vierzig Dollar für ihr Dope bezahlt. Die sind Sie mir jetzt schuldig.«
»Sie sind ein ahnungsloser Blödmann, aber ich will Ihnen mal was erklären, und zwar so einfach, wie ich’s kann. Linda Zeroski war meine Tochter. Ein abartiger Scheißkerl hat sie unweit von hier an einen Stuhl gefesselt und ihr mit den Fäusten jeden einzelnen Knochen im Gesicht zerschlagen.«
Joe zog einen .38er Revolver mit einem fünf Zentimeter langen Lauf hinten aus dem Hosenbund. Er klappte die Trommel heraus und ließ alle sechs Patronen in seinen Handteller fallen.
»Ich stecke zwei Kugeln in die Kammern zurück, drehe die Trommel ein paarmal rum und dann –«, setzte er an.
In diesem Augenblick zog Legion eine abgesägte Flinte aus einem unter dem Tisch angenagelten Futteral und riss sie hoch, sodass die beiden Läufe plötzlich auf Joe Zeroskis Gesicht gerichtet waren.
»Wer is jetzt blöd?«, sagte Legion. »Dazu fällt dir nix Schlaues mehr ein, was? Willst du weiter mit deiner kleinen Knarre da rumstehn, wo keine Kugeln drin sind? Wird Zeit, dass du dich hinkniest, Itaker.«
»Seh ich aus wie ein Italiener? Zeroski ist polnisch, du Trottel. Polen sind keine Italiener«, sagte Joe.
Legion erhob sich vom Tisch und ging zu der Fliegendrahttür, wo Baby Huey wie erstarrt stand und mit weit aufgerissenen Augen die Szene verfolgte, die sich vor ihm abspielte.
»Komm rein«, sagte Legion.
Baby Huey öffnete die Fliegendrahttür und trat aus der Dunkelheit in den gleißend weißen Lichtschein der Laterne, die auf dem Tisch stand. Die Muskeln an seinem Rücken zuckten, als die Tür hinter ihm zuschlug.
»Auf die Knie, Nigger«, sagte Legion.
»Meinem Onkel gehört der Nachtclub. Er weiß, wo wir sind«, sagte Baby Huey.
»Gut so. Wenn er herkommt, kann ich gleich zwei Nigger erschießen«, sagte Legion.
Baby Hueys Knie knackten und Schweißtropfen traten ihm auf die Stirn, als er langsam zu Boden ging und den Blick über Legions Körper schweifen ließ.
Legion drückte Baby Huey die Läufe der Flinte in den Nacken und schaute zu Joe.
»Schmeiß die kleine Knarre weg und knie dich hin, sonst baller ich dem Nigger den Kopf weg. Schau mir in die Augen und sag mir, ob du mir nicht glaubst, dass ich’s mache«, sagte er.
Joe Zeroski ließ die 38er Patronen zu Boden fallen, warf dann den Revolver weg und kniete sich hin.
Legion Guidry stand vor ihm, hatte sein Khakihemd straff in den Westerngürtel gesteckt, der sich über seinen flachen Bauch spannte. Er griff hinter sich, nahm seinen Strohhut von einer Stuhllehne und setzte ihn auf, sodass sein Gesicht jetzt im Schatten lag. Er trank einen Schluck aus der Whiskeyflasche, spreizte leicht die Beine und räusperte sich.
»Was meinst du, was jetzt passiert? Wetten, dass du nicht gedacht hast, dass du so ’nen Tag mal erlebst«, sagte er.
Dann zog er den Hosenstall auf.
»Wie weit willst du gehen, damit der Nigger am Leben bleibt?«, sagte er und drückte die Flinte fester an Baby Hueys Hals, während er den Blick auf Joe gerichtet hatte.
Joe schluckte und ballte die Fäuste. Legion hatte den Finger um den Abzug der Flinte gekrümmt. Die Manschette seines langärmligen Hemds war zugeknöpft, seine Hand mit Sommersprossen gesprenkelt, und die Adern wirkten wie grüne Stricke. Joe konnte das Nikotin riechen, das tief in seine Haut gedrungen war, den nach Bier und Whiskey stinkenden Atem, den strengen Männerschweiß, der in seiner Kleidung hing, als wäre er hineingebügelt. Joe spürte, wie sein Herz raste, dann packte ihn die Wut, als ob eine Flamme in seiner Brust aufloderte. Er hatte das Gefühl, als ob sich die Haut um Schädel und Gesicht spannte, als träten ihm die Augen aus den Höhlen, sei es aus Angst oder weil sein Blut in Wallung geriet. »Nur zu, erschieß uns, du nichtsnutziger Schwanzlutscher. Mich zuerst. Denn wenn ich dich zu fassen kriege, reiß ich dir die Kehle auf«, sagte
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