Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
er.
Er hörte, wie Legion Guidry schnaubte.
»Du hast ’ne ziemlich hohe Meinung von dir. Ich will mir doch den Schwanz nicht an ’nem Itaker oder Polack dreckig machen«, sagte Legion und zog seinen Hosenstall wieder zu. »Gib mir deine Autoschlüssel.«
»Was?«, fragte Joe und starrte seinen Peiniger ungläubig an, als könnte er dessen Sprunghaftigkeit nicht nachvollziehen.
»Ich nehm dein Auto und such damit nach meiner Hure. Wenn ich meine Hure nicht finde, hol ich mir meine vierzig Dollar bei dir. Wenn du das nächste Mal so tun willst, als ob du ein Gangster aus New Orleans wärst, dann denk dran, was für ein Bild du in diesem Moment abgibst – auf den Knien, neben ’nem Nigger, kurz davor, einem Mann den Schwanz zu lutschen. Red dir hinterher nicht ein, dass du’s nicht gemacht hättst. Glaub mir, wenn ich gewollt hätte, hättst du’s gemacht«, sagte er.
Legion nahm die Autoschlüssel, hob den 38er Revolver auf und sammelte die Patronen ein. Kurz darauf sahen Baby Huey und Joe, wie sich Legions Hut und seine hoch gewachsene Gestalt am vorderen Fenster abzeichnete, als er das Radio einschaltete und mit Joes Auto davonfuhr. Baby Huey konnte Joes Atemzüge in der Dunkelheit hören.
»Sie ham mir das Leben gerettet, Mr. Joe«, sagte er. »Ich kann immer noch kaum glauben, dass Sie zu ihm gesagt ham, er soll schießen. Das is das Tapferste, was ich je erlebt hab.«
Joe winkte ab und bedeutete ihm, dass er nichts davon hören wollte. Baby Huey wollte noch etwas dazu sagen.
»Hey, vergiss es«, sagte Joe.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Baby Huey und schaute zu dem Feldweg, der durch den Wald führte.
»Er hat meine Tochter nicht totgeschlagen«, sagte Joe.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Dem sind andere Menschen ganz egal. Er war’s nicht. Angst musst du vor denen haben, denen du nicht egal bist. So traurig das auch ist, mein Junge, aber es ist leider wahr«, sagte Joe.
22
Aber Baby Huey Lagneaux begegnete Legion in dieser Nacht noch einmal. Kurz bevor der Club seines Onkels, in den er mittlerweile zurückgekehrt war, dichtmachte, warf er einen Blick aus dem hinteren Fenster und sah Joe Zeroskis Auto vor dem Café nebenan stehen. Er wählte die Telefonnummer, die Joe ihm gegeben hatte, aber niemand meldete sich. Er ging aus der Hintertür des Clubs, lief über den Parkplatz und schaute durch ein Seitenfenster in das Café.
Legion saß allein an einem Tisch und aß. Am Nebentisch hatte sich eine Schar Krabbenfischer niedergelassen, die gerade vom Meer kamen, harte Männer mit Gummistiefeln, die sich seit Wochen nicht mehr rasiert hatten, Zigaretten rauchten, einen Krug Bier nach dem andern tranken und tellerweise gebratene Krabben auffahren ließen, die sie mit den Fingern aßen.
Baby Huey malte sich aus, wie er Legion zur Rede stellte, hier, in aller Öffentlichkeit, die Schlüssel von Joe Zeroskis Auto verlangte, irgendwie zumindest wieder ein gewisses Maß an Selbstachtung gewann, die er verloren hatte, als ihm eine Schrotflinte an den Hals gedrückt worden war und er das Gefühl gehabt hatte, als wären seine Eingeweide zu Wasser geworden. Er betrat das Café durch die Seitentür und starrte auf Legions Rücken, auf die ungeschnittenen Haare, die sich in seinem Nacken ringelten, die kräftigen Schultern, auf die Haut, die sich über der Kinnlade straffte, wenn er kaute. Aber Baby Huey konnte keinen Fuß mehr vor den anderen setzen, keinen Schritt näher an Legions Tisch treten.
Dann kam Tee Bobby Hulin durch die Vordertür und setzte sich an den Tresen, in Hörweite der Krabbenfischer. Einige von ihnen erkannten ihn offenbar, wussten, dass er sich demnächst vor Gericht verantworten musste, weil man ihm vorwarf, Amanda Boudreau vergewaltigt und ermordet zu haben. Zunächst schauten sie nur zu ihm hin und tuschelten miteinander; dann nahmen sie anscheinend keinerlei Notiz mehr von ihm und kümmerten sich nur noch um ihr Essen, das Bier und die brennenden Zigaretten, die sie am Rand der Aschenbecher abgelegt hatten. Aber unwillkürlich warfen sie immer wieder einen Blick zu Tee Bobby, als wäre er ein lästiges Insekt, das jemand erschlagen sollte.
Schließlich drehte sich einer der Krabbenfischer um und sprach Tee Bobby von hinten an. »Du hast hier nix verloren, Freundchen. Bestell dir was und geh damit raus.«
Tee Bobby starrte auf die Speisekarte, als wäre er kurzsichtig und hätte seine Brille verlegt – die Hände um die Kanten des Kartons geklammert, vornüber gebeugt
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