Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
brennendes Herbstlaub. Ich klopfte, aber niemand meldete sich.
    Helen blieb vorn, während ich zur Hintertür ging. Dann musste ich durch das Fliegengitter eine Szene mitansehen, bei der man sich wünscht, man wüsste etwas weniger über das Menschengeschlecht und seine Fähigkeiten, andere, die schwächer sind, zu täuschen und einzuwickeln.
    Marvin Oates saß mit bloßem Oberkörper und zusammengekniffenen Augen am blanken Küchentisch und hatte die Fäuste geballt, zitternd vor Verlangen oder weil er Bilder vor Augen hatte, die nur er sah. Seine Stirn war aufgeschlagen und über die Kinnlade zog sich ein Bluterguss, der schwarz verfärbt war wie eine überreife Banane. In einem Aschenbecher lagen zwei vor sich hinqualmende Jointstummel.
    Eine junge Schwarze, deren kurzes Kraushaar an den Spitzen gebleicht war, stand hinter ihm, massierte ihm die Schultern, rieb ihren Unterleib an seinem Rücken und blies ihm ihren Atem ins Ohr. Sie hatte eine Rose auf den Hals tätowiert, trug weiße Shorts, die bis zum Schritt hochgerollt waren, ein mit Blumen besticktes Jeanshemd, klirrende Kettchen um die Knöchel und rosa Tennisschuhe, wie sie kleine Mädchen tragen.
    »Leona hat alles, was du möchtest, Schätzchen. Aber erst brauch ich ’n bisschen mehr Geld. Das, was du mir gegeben hast reicht ja kaum für Jimmy Stys Anteil. Ein Mädchen wie ich braucht auch ’n bisschen Geld für die Miete. Außerdem muss ich den Schnaps bezahlen, den du getrunken hast, und das Dope, das du geraucht hast. Du willst doch nicht, dass ich die Straße runtergeh und mir jemand andern nehme. Du bist so ein schnuckliger Kerl...«
    Sie strich mit der Hand an seiner Brust herab und griff ihm zwischen die Beine. Er reckte das Kinn, und sein Gesicht schien sich mit einem Mal zu straffen, schärfer zu werden und rot anzulaufen vor Hitze und einer Spannung, die er kaum mehr beherrschen konnte. Er öffnete die Augen, als erwachte er aus einem Traum.
    »In meiner Hose is noch mehr Geld«, sagte er. Seine Stimme klang belegt, wie rostig, als wäre er hin und her gerissen zwischen Begierde und Schuldbewusstsein.
    Die Frau griff in seine Gesäßtasche und zog die Brieftasche heraus. Als sie sich zur Seite beugte, sah ich Marvins nackten Rücken und die Pockennarben, die sich bis zum Hosenbund hinabzogen.
    Ich öffnete die Fliegendrahttür und trat in die Küche.
    »Entschuldigen Sie die Störung, Leona, aber Marvin hat einen Termin in der Sheriff-Dienststelle«, sagte ich.
    Zuerst verzog sie überrascht das Gesicht. Dann grinste sie, straffte die Schultern und schob die Haare zurück.
    »Dave Robicheaux kommt mich besuchen? Ich liebe Sie, mein Schatz, und ich würd auch jederzeit mit Ihnen durchbrennen, aber zurzeit hab ich alle Hände voll zu tun«, sagte sie.
    »Das ist mir klar. Aber wie wär’s, wenn Sie Marvin das Geld zurückgeben, das Sie für ihn aufbewahren, damit wir uns auf den Weg machen können?«, sagte ich.
    »Er wollt’s mir lassen. Hat die Hand aufs Herz gelegt, als er’s gesagt hat«, sagte sie und strich über Marvins Kopf.
    Helen kam durch die Vordertür, riss Leona an den Küchentisch und trat ihr die Beine auseinander. Sie zog ein Bündel Geldscheine aus Leonas Hosentasche. »Hast du ihm sonst noch was weggenommen?«, sagte sie.
    »Nein, Ma’am«, sagte Leona.
    »Wo hast du das Crack her?«, sagte Helen und hielt ein rund fünf Zentimeter langes Plastikröhrchen mit einem kleinen Korken hoch.
    »Keine Ahnung, woher das kommt«, sagte Leona.
    »Ist das dein Baby da drüben, in dem andern Zimmer?«, sagte Helen.
    »Ja, Ma’am. Er is jetzt acht Monate«, sagte Leona.
    »Dann kümmer dich um ihn. Wenn ich dich noch einmal beim Anschaffen erwische, knöpf ich mir Jimmy Sty vor und sag ihm, du hättest ihn verpfiffen«, sagte Helen.
    »Krieg ich das Crack zurück?«, sagte Leona.
    »Hau bloß ab«, sagte Helen. Sie nahm Marvins Hemd, hängte es über seine Schulter und setzte ihm den Hut auf.
    »Gehen wir, Cowboy«, sagte sie und schubste ihn vor sich her in Richtung Haustür.
    Es hatte angefangen zu regnen. Die Bäume am Bayou wogten im Wind, und die Luft war kühl und roch nach Staub und Fischlaich. Marvin schlüpfte in sein Hemd und zog es über das Narbengeflecht auf seinem Rücken.
    »Wer hat Ihnen das angetan, Partner?«, fragte ich.
    »Weiß ich nicht«, erwiderte er. »Manchmal fällt’s mir beinah ein. Dann geh ich in mich und komm eine ganze Zeit lang nicht mehr raus. Es is, als ob ich mich an manche Sachen nicht erinnern

Weitere Kostenlose Bücher