Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
er.
»Jawohl.«
Er nickte. »Sie haben gesehen, dass ich mir ihre Figur angeschaut habe, als sie mir den Rücken zugekehrt hat. Aber sie sieht gut aus, und das Fleisch is schwach, jedenfalls isses bei mir so. Sie sind ihr Vater, und ich habe Sie beleidigt. Ich möchte mich dafür entschuldigen.«
Er wartete darauf, dass ich etwas sagte. Als ich ihn nach wie vor nur anschaute, legte er wieder den Kopf schief, ging zu seinem Koffer, wuchtete ihn hoch, überquerte den Fahrweg und wollte die Auffahrt hinauflaufen.
»Falsches Haus, Partner«, rief ich.
Er lupfte den Hut zum Gruß, änderte die Richtung und machte sich auf den Weg zu meinem Nachbarn.
Am Montagmorgen rief ich an, bevor ich hinaus zur Insel der LaSalles fuhr, um Tee Bobbys Großmutter aufzusuchen. Sie trug ein beiges Kleid und weiße, erst vor kurzem polierte Schuhe, als sie mich einließ, und ihre Haare waren frisch gebürstet und hinten mit einem Kamm zusammengesteckt. Auf dem Boden ihres Wohnzimmers lagen kleine Brücken, unter der Decke drehte sich ein Ventilator mit Holzblättern, und die Schonbezüge über den Polstermöbeln waren mit Blumenmustern bedruckt. Der Wind wehte von der Bucht und drückte die roten Blüten der Mimosen und Flamboyantbäume an die Fliegendrahtfenster. Ladices Brust hob und senkte sich, während sie mich mit wachsamer Miene von der Couch aus anschaute und wartete.
»Tee Bobby hat kein Alibi. Zumindest keines, das er mir gegenüber angeben wollte«, sagte ich.
»Was is, wenn ich sage, dass er hier war, als das Mädchen umgekommen is?«, sagte sie.
»Ihre Nachbarn sagen, er war nicht da.«
»Weshalb behelligen Sie mich dann, Mr. Dave?«
»Die Leute hier in der Gegend sind wegen dem Tod dieses Mädchens ziemlich aufgebracht. Tee Bobby ist die ideale Zielscheibe für ihren Zorn.«
»All das hat weit vor seiner Geburt angefangen. Der Junge kann überhaupt nix dafür.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
Ich hörte, wie die Hintertür geöffnet wurde, und sah eine junge Frau durch die Küche gehen. Sie trug rosa Tennisschuhe und ein viel zu großes blaues Kleid, das wie ein Sack an ihr hing. Sie holte eine bereits offene Flasche Limonade, in deren Hals ein Papierstrohhalm steckte, aus dem Kühlschrank. Sie blieb unter der Tür stehen und sog am Strohhalm, war Tee Bobby wie aus dem Gesicht geschnitten, aber ihre Miene war ausdruckslos, der Blick verwirrt, als ob ihr Gedanken durch den Kopf gingen, die vermutlich niemand je erraten konnte.
»Wir gehen gleich zum Doktor, Rosebud. Wart hinten auf der Veranda und komm nicht wieder rein, bis ich’s dir sage«, sagte Ladice. Die junge Frau schaute mir einen Moment lang in die Augen, zog dann den Strohhalm aus dem Mund, drehte sich um, ging aus der Hintertür und ließ sie zufallen.
»Sie sehn aus, als ob Sie irgendwas sagen wollen«, sagte Ladice.
»Was ist aus Tee Bobbys und Rosebuds Mutter geworden?«
»Is mit ’nem Weißen durchgebrannt, als sie sechzehn war. Hat die zwei ohne was zu essen in ihrem Bettchen liegen lassen.«
»Haben Sie das gemeint, als Sie sagten, Tee Bobby könnte nichts dafür.«
»Nein. Das hab ich überhaupt nicht gemeint.«
»Aha.« Ich stand auf und wollte gehen. »Manche Leute sagen, der alte Julian wäre der Vater Ihrer Tochter gewesen.«
»Gehn Sie auch ins Haus einer weißen Frau und stellen ihr so eine Frage? Wie wenn Sie mit einem Stück Vieh reden?«, sagte sie.
»Ihr Enkel landet möglicherweise in der Todeszelle, Ladice. Perry LaSalle ist anscheinend der einzige Freund, den er hat. Vielleicht ist das gut. Vielleicht aber auch nicht. Danke, dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben.«
Ich ging hinaus auf den Hof, in den Blumenduft und die von der Sonne aufgeheizte Luft, die leicht nach Salz und einem Regenguss draußen auf dem Golf roch. Auf der anderen Straßenseite, auf dem Rasen vor dem rußgeschwärzten Gemäuer, das einst Julian LaSalles Haus gewesen war, sah ich Pfauen. Ich hörte, wie Ladice hinter mir die Fliegendrahttür öffnete.
»Was wollen Sie damit sagen, dass es nicht gut is, wenn Perry LaSalle der einzige Freund is, den Tee Bobby hat?«, sagte sie.
»Ein Mann, der von Schuldgefühlen getrieben wird, wendet sich irgendwann gegen die, wegen denen er sich schuldig fühlt. Aber das ist bloß eine persönliche Feststellung«, sagte ich.
Der Wind blies ihr eine Haarsträhne in die Stirn. Sie strich sie zurück und starrte mich lange an, ging dann wieder ins Haus und hakte die Fliegendrahttür hinter sich
Weitere Kostenlose Bücher