Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Ladice?«, sagte er.
»Wenn Mrs. LaSalle ihre Wäsche gewaschen haben will, bring ich sie gern runter zur Waschmaschine. Ich bügel sie ihr auch«, sagte Ladice.
»Aha. Ich glaube, hier liegt bloß ein Missverständnis vor«, sagte er.
Sie erwiderte nichts. Sein Blick wurde sanfter als er ihr Gesicht betrachtete, den Mund musterte. Er legte ihr die Hand auf den Arm.
»Meine Mama und mein Onkel holen mich gleich ab und nehmen mich mit in die Stadt«, sagte sie.
»Kommst du heute noch zurück?«
Sie schob sich die Locke aus den Augen. »Ich glaub, meine Mama will, dass ich heut Nacht bei ihr bleibe«, sagte sie.
»Ja, die kommt sich manchmal bestimmt sehr einsam vor. Ich habe dich sehr gern, Ladice.«
»Gute Nacht, Mr. Julian.«
»Ja, nun, ich glaube, bei der guten Nacht belassen wir’s dann«, sagte er.
Doch er rührte sich nicht von der Stelle, und seine sehnsüchtige Miene besagte etwas ganz anderes. Sie hielt seinem Blick stand, bis er tatsächlich blinzelte und um den Hals rot anlief. Dann straffte er das Kinn und ging hinaus.
Sie schaute ihm vom Fenster aus hinterher, als er über den Hof zur Rückseite des Herrenhauses ging und unwirsch an seinem Krawattenknoten zerrte.
Vielleicht darfst du ja die Schlüpfer deiner Frau auswaschen, sagte sie sich und wunderte sich zugleich, dass ihr so giftige Gedanken durch den Kopf gingen.
Naiv, wie sie war, dachte sie, ihr Verhältnis, ihre Affäre oder wie immer man es bezeichnen mochte, liefe von selbst auf eine dramatische Auflösung hinaus, wie wenn plötzlich ein Schwefelholz aufflackerte und ihr ödes Dasein in Flammen setzte, es auf irgendeine Art zu einem Ende brächte, vielleicht auch zu einem verheerenden, das sie von der Welt befreite, in der sie groß geworden war.
Doch die langen schwülen Sommertage folgten ebenso gleichförmig aufeinander wie Mr. Julians nächtliche Besuche und die Niedergeschlagenheit und die Schlaflosigkeit, die sie bei ihr hervorriefen. Sie dachte nicht mehr über Macht, Herrschaft oder ihren Stellenwert unter den anderen Schwarzen auf Poinciana Island nach. Ihr steter Umgang mit Mr. Julian führte dazu, dass sie voller Mitleid an ihn dachte, wenn sie überhaupt an ihn dachte, und seine Besuche waren für sie lediglich ein biologischer Vorgang, genau wie ihre anderen Körperfunktionen, und sie fragte sich, ob dies nicht genau die Haltung war, die sich alle Frauen zulegten, wenn sie sich aus purer Notwendigkeit mit einem Mann einließen. Es war keine Sünde; es war bloß langweilig.
Dann kam der Herbst, und sie konnte das Gas riechen, das bei Nacht aus dem Sumpf aufstieg, und die schwache, salzige Ausdünstung der toten Fische, die bei Ebbe in den Gezeitentümpeln an der Bucht gefangen worden waren. Manchmal lag sie wach im Bett und horchte auf die Nachtfalter, die an die Fliegengitter stießen und sich die Flügel zerschlugen, weil sie ständig versuchten, an das Nachtlicht in ihrem Badezimmer zu gelangen. Sie fragte sich, weshalb sie so geschaffen worden waren, weshalb sie sich selbst zerstörten, nur um in den gleißend weißen Schein einer elektrischen Lampe zu fliegen, deren Hitze sie schließlich umbrachte. Wenn ihr diese Gedanken kamen, deckte sie sich ein Kissen über den Kopf, damit sie das leise Pochen der Nachtfalter an den Fliegengittern nicht mehr hören konnte.
Aber wie verlogen und unheilvoll ihre Beziehung zu Julian LaSalle, seiner Familie und Poinciana Island war, und welchen Preis sie dafür bezahlen musste, sollte sich ihr auf eine Art und Weise offenbaren, wie sie es nie vermutet hätte.
Im November stieg sie in einen Greyhound-Bus und fuhr quer durch den Atchafalaya-Sumpf nach Baton Rouge. Sie stieg im alten Negerviertel ab, Catfish Town genannt, wo die Straßen nach wie vor zu beiden Seiten von Tanzschuppen und schmalen Hütten gesäumt waren, die aus den Tagen der Sklaverei übrig geblieben waren. Am nächsten Morgen nahm sie sich ein Taxi zum Campus der Southern University, betrat das Verwaltungsgebäude und erklärte einer weißhaarigen Schwarzen, die ein Kostüm trug, dass sie sich für das Schwesternausbildungsprogramm im Frühjahrssemester voranmelden wollte.
»Haben Sie die Highschool abgeschlossen?«, fragte die Frau.
»Ja, Ma’am.«
»Wo?«
»In New Iberia.«
»Nein, ich meine, an welcher Schule?«
»Ich hab ein Zeugnis von der Plantagenschule. Ich bin aber auch auf die St. Edward’s gegangen.«
»Aha«, sagte die Frau. Ihre Augen schienen sich einen Moment lang zu trüben. »Füllen
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