Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Sie diesen Antrag aus und reichen Sie ihn mit den Abschriften Ihrer Schulunterlagen ein. Sie hätten das auch per Post erledigen können, wissen Sie.«
»Ma’am, verschweigen Sie mir irgendwas?«
»Diesen Eindruck wollte ich nicht vermitteln«, antwortete die Frau.
Als Ladice wieder hinausging, strahlte die Sonne, und die Luft war kühl und roch nach brennendem Laub. Hinter einer Baumgruppe probte eine Straßenkapelle einen Militärmarsch, dessen schmissige Töne aus den silbernen und messinggelben Instrumenten zum strahlend blauen Himmel aufstiegen. Aus irgendeinem Grund, den sie sich nicht erklären konnte, war die Vorfreude auf ein Football-Spiel, auf einen Tanz am Samstagabend, auf Chrysanthemensträuße und ein paar Gin-Fizz auf dem Rücksitz eines Coupés jetzt anderen vorbehalten; sie konnte daran nicht mehr teilhaben.
Einen Monat später teilte der Postbote Ladice mit, dass er beim Postamt der Plantage einen Brief von der Southern University für sie hinterlegt habe. In der Abenddämmerung ging sie den unbefestigten Fahrweg entlang, durch Waldungen, die nach Kiefernharz, eingestaubtem Laub und Fischköpfen rochen, die die Waschbären zwischen den Bäumen verstreut hatten. Die Sonne brannte wie ein Leuchtfeuer am Horizont über dem Marschland, das grau vom abgestorbenen Gras war.
Sie nahm den Umschlag aus der Hand des Postmeisters entgegen, und ging zu ihrer Garagenwohnung zurück, legte ihn auf den Frühstückstisch und stellte den Salzstreuer darauf, legte sich dann auf ihr Bett und schlief ein, ohne den Brief zu öffnen.
Es war noch dunkel, als sie aufwachte. Sie schaltete das Licht in der Küche ein und wusch sich im Badezimmer das Gesicht, setzte sich dann an den Tisch und las die beiden kurzen Absätze, die ihr der Registrator geschrieben hatte. Als sie damit fertig war, faltete sie den Brief zusammen und steckte ihn wieder in den Umschlag, ging zu Julian LaSalles Haustür, nicht zum Hintereingang, und klopfte. Er trug Pantoffeln und einen roten Seidenmorgenmantel, als er die Tür öffnete, und hatte seine Lesebrille tief auf die Nase geschoben.
»Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«, fragte er.
»Meine Zeugnisse von der Plantagenschule taugen nix.«
»Wie bitte?«
»Die Southern erkennt meine Zeugnisse von St. Edward’s an. Die von der Plantagenschule zählen nicht. Sie müssen das doch gewusst haben, als Sie gesagt haben, Sie besorgen mir ein Stipendium an der Southern. Haben Sie das gewusst, Mr. Julian?«
»Wir stellen auf Poinciana eine kostenlose Schule zur Verfügung. Die meisten Menschen würden das für großzügig halten. Mit den Aufnahmeformalitäten an der Southern University kenne ich mich nicht aus.«
»Ich glaub, ich zieh wieder in die Siedlung.«
»Nun hör mal zu«, sagte er. Er warf einen Blick zurück auf die geschwungene Treppe, die in den ersten Stock führte. »Wir reden morgen darüber.«
Sie knüllte den Umschlag mitsamt dem Brief zusammen und warf ihn über seine Schulter hinweg auf den Wohnzimmerteppich.
Am darauf folgenden Donnerstag, an dem Abend, an dem er immer mit seiner Frau Rommé spielte, fuhr Mr. Julian zu dem Haus an einer abgelegenen, von Sumpfkiefern gesäumten Straße, in dem Ladice jetzt mit ihrer Mutter wohnte. Es war kalt, und der Rauch der Holzfeuer hing dick wie Baumwollwatte zwischen den Bäumen. Sie beobachtete ihn vom vorderen Fenster aus, als er ihren Gemüsegarten musterte, sich mit Daumen und Zeigefinger am Kinn kniff, sah ihm an den Augen an, dass er mit Gedanken beschäftigt war, die nichts mit ihrem Garten zu tun hatten.
Er nahm den Hut ab, als er das Haus betrat.
»In New Orleans gibt es ein katholisches College für farbige Studenten. Ich habe heute Morgen mit jemandem im Dekanat gesprochen. Wärst du bereit, ein paar Vorbereitungskurse mitzumachen?«, sagte er.
Sie hatte gerade gebügelt, als er vorgefahren war, und so griff sie zu dem Bügeleisen, das auf einem Kuchenblech stand, spritzte mit einer Sodaflasche Wasser auf eine Bluse und fuhr mit dem zischenden Eisen über den Stoff. Sie hatte an diesem Tag noch nicht gebadet und konnte ihren Körpergeruch wahrnehmen, der in ihrer Kleidung hing.
»Woher weiß ich, dass ich genommen werde, wenn ich diese Kurse mitmache?«, fragte sie.
»Du hast mein Wort«, erwiderte er.
Sie nickte und legte den Unterarm an ihre feuchte Stirn. Sie wollte ihm sagen, dass er sie in Ruhe lassen sollte mit seinen Versprechungen, seinen Machenschaften und Launen, dass er nach Hause gehen sollte, zu
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