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Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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seiner Frau, deren Geisteskrankheit schlimmer war als der Krebs, der ihren Körper zerfraß. Aber sie dachte an New Orleans, an die Straßenbahnen, die die von Eichen und Palmen gesäumten Avenues entlangratterten, an die Umzüge am Mardi Gras, die Musik, die bei Sonnenuntergang aus dem French Quarter zum Himmel stieg.
    »Machen Sie mir auch nix vor, Mr. Julian?«, sagte sie.
    Dann wurde ihr klar, wie schwach sie tatsächlich war, wie sehr sie sich all das wünschte, was er ihr geben konnte, und wie leicht sie infolgedessen, wenn alles gesagt und getan war, von ihm oder jemandem wie ihm benutzt werden konnte. Sie schämte sich, schämte sich ihres Lebens und weil sie sich vorgemacht hatte, sie hätte einen Julian LaSalle in der Hand.
    »Ich bin auf der Straße an deiner Mutter und deinem Onkel vorbeigefahren. Kommen die bald zurück?«, sagte er und rieb ihr mit der Hand über den Arm.
    »Nein. Die sind nach Lafayette gefahren«, sagte sie und wunderte sich, wie leicht sie sich verleiten ließ und ihren Beitrag dazu leistete, dass sie ausgenutzt wurde.
    Er nahm ihr das Bügeleisen aus der Hand und legte die Arme um sie, rieb das Gesicht an ihren Haaren und drückte sie dicht an sich.
    »Ich bin schmutzig. Ich bin den ganzen Tag auf den Beinen gewesen«, sagte sie.
    »Du bist jeder Zeit liebenswert, Ladice«, sagte er. Er führte sie in ihr Schlafzimmer, in dem nur die Nachttischlampe brannte, zog ihr das T-Shirt über den Kopf und schob ihr die Jeans über die Hüfte.
    »Es is Donnerstag. Am Donnerstagabend haben Sie niemand, der auf Mirs LaSalle aufpasst«, sagte sie.
    »Sie ist eingeschlafen. Die kommt schon zurecht«, erwiderte er. Dann war er über ihr, zitternd und bebend, und drückte den Mund an ihre Brust.
    Sie heftete den Blick auf das Fenster, auf den Rauch, der draußen zwischen den Sumpfkiefern hing, auf die Leuchtkäfer, die wie Funken zwischen den Bäumen flackerten, den Mond, der vom Staub über den Feldern orange verfärbt war. Sie meinte einen Pickup zu hören, der scheppernd vorbeifuhr, doch das Motorengeräusch ging im Pfeifen eines Güterzugs der Southern Pacific unter, der in weiter Ferne durch das Marschland nach New Orleans fuhr. Sie schloss die Augen und dachte an New Orleans, wo es morgens immer nach frischer Minze, nach Blumen, Zichorienkaffee und Beignets roch, die irgendwo gebacken wurden.
    Sie spürte, wie sich sein Körper anspannte, sich verkrampfte, wie seine Lenden zuckten. Dann wälzte er sich von ihr, blieb schwer atmend, die feuchten Haare an ihre Wange geschmiegt, neben ihr liegen. Nach einer Weile schlug er die Augen auf, wie jemand, der wieder in die Welt zurückkehrt, in der er normalerweise lebt. Er setzte sich auf, kehrte ihr seinen blassen, schweißnassen Rücken zu, an dem sich die Wirbel abzeichneten.
    Dann machte er etwas, was er noch nie getan hatte, nachdem sie miteinander geschlafen hatten. Er tätschelte ihre Hand und sagte: »Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort hätten wir ein schönes Paar abgeben können, du und ich. Du bist eine außergewöhnliche Frau. Lass dir von niemand etwas anderes einreden.«
    Mit einem Mal kam es ihr vor, als wäre das Zimmer voller Dunst oder Rauch, und die Leuchtkäfer zwischen den Baumwipfeln wirkten größer als gewöhnlich. Sie fragte sich, ob sie sich vielleicht eine Erkältung eingefangen hatte, oder ob sie einen Teil ihrer Seele verloren hatte und nicht mehr wusste, wer sie war. Sie stand auf und ging nackt, wie sie war, ans Fenster.
    »Mach das Licht aus«, sagte sie.
    Er schaltete die Nachttischlampe aus, worauf das Zimmer in Dunkelheit versank. Sie schaute aus dem Fenster, und mit einem Mal wurde ihr klar, dass es um diese Jahreszeit keine Leuchtkäfer mehr gab, dass die kleinen roten Lichtpunkte zwischen den Kiefern Funken waren, die vom Himmel fielen.
    Aber nicht deswegen, nicht weil sie Angst hatte, ihr Haus könnte in Flammen aufgehen, stockte ihr mit einem Mal das Blut. Das schmale, grobporige Gesicht von Legion, dem Aufseher, tauchte plötzlich vor ihr auf, allenfalls einen Meter von der Fensterscheibe entfernt. Selbst als er sich an den Hut tippte, riss er den Blick nicht von ihrem nackten Leib los.

6
    Der Brand im Haus der LaSalles war in der Küche ausgebrochen, vermutlich durch ein Geschirrtuch, das jemand zu nahe am offenen Feuer hatte liegen lassen. Die Flammen waren an der Wand emporgeklettert und unter der Decke entlanggekrochen, hatten sich dann durch einen Flur ausgebreitet, waren vom Luftzug ins

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