Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
zur Tür hinaus. Ich dachte, er wäre weg, stand auf und wollte das Zimmer verlassen, um nach meiner Post zu sehen. Aber mit hochroten Wangen kam er noch einmal zurück.
»Worauf wollen Sie hinaus? Wollen Sie meiner Familie irgendetwas vorwerfen?«, sagte er.
»Sie haben doch diesen Fall in Ihrem Buch aufgegriffen, den Mord an den beiden Teenagern oben an der Loreauville Road? Die Mutter von dem Mädchen, das die beiden Scheißkerle umgebracht haben, sagte, sie hätte zur gleichen Zeit, als ihre Tochter starb, ihre Stimme draußen im Vorgarten gehört. ›Bitte hilf mir, Mamma‹, hätte ihre Tochter gerufen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass das in Ihrem Buch oder in dem Film vorgekommen ist.«
»Wenn Sie sich noch einmal über meine Familie auslassen, Dave, breche ich Ihnen den Kiefer, egal ob Sie ein Cop sind oder nicht.«
»Lassen Sie Ihren Brass an Barbara Shanahan aus. Ich glaube, ihr beide verdient einander«, sagte ich.
Meine Hände zitterten, als ich mich an ihm vorbeidrängte.
An diesem Abend rief Clete Purcel bei mir zu Hause an. Im Hintergrund hörte ich eine elektrische Gitarre und Saxophone, Gelächter und lautes Stimmengewirr.
»Ich kann dich kaum verstehen«, sagte ich.
»Ich dachte, ich knöpfe mir Jimmy Dean Styles noch mal vor. Ich bin in einem Schuppen in St. Martinville, der ihm gehört. Ich dachte, du willst vielleicht wissen, wer auf der anderen Straßenseite parkt.«
»Es ist schon spät, Clete.«
»Joe Zeroski. Er hat eine Privatdetektivin dabei – seine Nichte, Zerelda Calucci. Ihr alter Herr war einer von den Calucci-Brüdern.«
»Erzähl’s mir morgen.«
»Der Junge, hinter dem du wegen dem Mord auf dem Zuckerrohrfeld her bist, der spielt hier.«
»Sag das noch mal.«
»Wie heißt er doch gleich? Hulin? Der steht oben auf der Bühne. Jedenfalls sollte ich mich lieber auf die Socken machen. Das Einzige, was in dem Laden sonst noch weiß ist, ist die Kloschüssel. Entschuldige die Störung.«
»Lass mir eine halbe Stunde Zeit«, sagte ich.
Ich fuhr den Teche entlang, unter dem langen Laubdach der immergrünen Eichen hindurch, die die Landstraße nach St. Martinville säumten, die gleiche Straße, auf der 1863 die Soldaten der Union marschiert waren, die gleiche Straße, die fast hundert Jahre zuvor Evangeline und ihr Geliebter entlanggelaufen waren.
Jimmy Dean Styles war nur zu fünfzig Prozent an dem Nachtclub beteiligt, aus dem Clete angerufen hatte. Sein Geschäftspartner war ein schwarzer Kautionsadvokat namens Little Albert Babineau, über den unlängst die Presseagenturen im ganzen Staat berichtet hatten, nachdem er beim Mardi Gras Kondompackungen von einem Festwagen geworfen hatte. »Sorgen Sie für den richtigen Schutz. Gehen Sie auf Nummer sicher mit Little Albert. Kautionen rund um die Uhr. Little Albert lässt Sie nicht hängen«, war auf jede Packung gedruckt.
Der Club war aus Sperrholzplatten gebaut, die blau gestrichen und mit gelben und roten Lichterketten behängt waren. Die Fensterscheiben und die Wände bebten buchstäblich vom Lärm, der im Innern herrschte. Ich hielt auf der Rückseite, wo Clete neben seinem Cadillac auf mich wartete. Zwischen den Bäumen unterhalb des Clubs konnte ich einen glasig gelben Lichtschein auf dem Bayou sehen, und ich hörte, wie das Kielwasser eines großen Bootes durch die Blätter der Elefantenohren am Ufer schwappte.
»Du bist doch nicht sauer, weil ich mir Styles noch mal vornehmen wollte?«, sagte Clete.
»Warum sollte ich? Du hörst ja sowieso nicht darauf, was ich sage.«
»Wie willst du’s anpacken?«, sagte er.
»Wir müssen Joe Zeroski von hier weg kriegen. Wie war das mit dem Privatdetektiv?«
»Es ist seine Nichte. Ich würde ja gern eine etwas intimere Beziehung mit ihr eingehen, aber ich hab immer das Gefühl, dass sie mir am liebsten mein Gerät wegballern möchte. Warte mal, bis du die Ballons von der Braut sieht.«
»Könntest du aufhören, solche Sprüche zu machen? Ich mein’s ernst, Clete. Das ist krankhaft.«
Er schob sich zwei Streifen Kaugummi in den Mund und mampfte lautstark darauf herum, warf mir einen vergnügten Blick zu und schaute sich kurz nach allen Seiten um.
»Ich sag dir was. Ich übernehme Joe, du kümmerst dich um Zerelda«, sagte er.
Joe Zeroskis Wagen stand ein Stück weiter unten an der Kreuzung, vor einem kleinen Lebensmittelladen auf der anderen Straßenseite. Eine Frau saß am Steuer. Sie hatte lange schwarze Haare, trug eine tief ausgeschnittene Bluse und hatte
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