Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
meinem Getränk, ohne einmal von der Anrichte aufzuschauen.
Ich schlug meine Jacke hinter den Griff der 45er Automatik zurück, die ich in einem Gürtelholster trug.
» T’es un pédéraste, Legion? «, fragte ich.
Er ging im Spiegel mit mir auf Blickkontakt. Dann führte er die Zigarette an den Mund, stieß den Rauch durch die Nase aus und streifte die Asche auf seiner Untertasse ab, betrachtete jetzt die Frau hinter der Bar.
»Sprechen Sie kein Französisch?«, sagte ich.
»Nicht mit jedem.«
»Dann frage ich Sie auf Englisch. Sind Sie homosexuell, Legion?«
»Ich weiß, was Sie wollen. Es haut aber nicht hin«, erwiderte er.
»Weil Sie nämlich diesen Eindruck bei mir hinterlassen haben. Vielleicht haben Sie die schwarzen Frauen vergewaltigt, um sich davon zu überzeugen, dass ganz tief in Ihrem Innern kein Mädchen steckt.«
Er drehte die brennende Zigarette auf der Untertasse hin und her, bis die Glut aus war. Dann knöpfte er die Brusttasche seines Hemds zu, zog seinen Schlips zurecht und schaute auf sein Spiegelbild.
»Geh in die Küche und schau nach, ob mein Essen fertig is«, sagte er zu der Barfrau.
Ich drehte mich um und schaute ihn von der Seite an.
»Ich bin ein abergläubischer Mann, deshalb bin ich Ihretwegen zu einer traiture gegangen«, log ich. »Diese traiture , eine Freundin von mir, sagt, auf Ihnen liegt ein gris-gris. All die Frauen, die Sie sich mit Gewalt genommen haben, Mr. Julian, seine Frau, die bei einem Brand umgekommen ist, dazu ein Mann, den Sie vor einer Bar in Morgan City ermordet haben. Deren Geister verfolgen Sie, Legion, wo immer Sie auch hingehen.«
Die Haut unter seinem rechten Auge runzelte sich. Langsam wandte er den Kopf um und starrte mich an.
»Was für ein Mann in Morgan City?«
»Er war Schriftsteller. Kam irgendwo aus dem Norden. Sie haben ihn vor einer Bar erschossen.«
»Das haben Sie in ’ner alten Zeitung gefunden. Das hat überhaupt nix zu sagen.«
»Sie haben zweimal auf ihn geschossen. Das Mündungsfeuer hat seine Jacke in Brand gesetzt. Er lag am Boden, als Sie das zweite Mal auf ihn geschossen haben.«
Er öffnete den Mund, zog die Augen zusammen und schaute mich unverwandt an.
Ich holte einen Dime aus meiner Hemdtasche, durch den ich an diesem Morgen ein Loch gebohrt und eine rote Schnur gefädelt hatte. Ich schob die Münze über die Bar zu seiner Kaffeetasse.
»Die traiture sagt, den sollten Sie um den Knöchel tragen, Legion.«
»Wie ’n Niggerweib, was?«, sagte er und warf den Dime zwischen die Flaschen hinter der Bar.
Die Barfrau kam mit einem Tablett aus der Küche. Sie nahm einen Teller mit Reis, Soße, geschmortem Hühnchen und Stangenbohnen vom Tablett und stellte ihn vor Legion hin, legte eine Serviette samt Messer und Gabel daneben.
»Ist alles in Ordnung, Legion?«, fragte sie.
»Bei mir schon«, erwiderte er, steckte sich die Serviette in den Hemdkragen und griff zum Besteck.
»Warum haben Sie einen Schriftsteller aus dem Norden getötet?«, sagte ich.
Er beugte sich über seinen Teller, öffnete den Mund, wollte sich eine Gabel voller Essen in den Mund schieben. Plötzlich neigte er den Kopf zur Seite.
»Sie sollten mich lieber in Ruhe lassen, verflucht noch mal«, sagte er.
Ich hätte schwören können, dass sich sein Tonfall und Akzent veränderten, dass seine Stimme wie ein tiefes Grollen klang, das in einer riesigen Kaverne widerhallte.
Ich spürte, wie sich meine Kopfhaut spannte. Ich stand auf, und mein Gesicht fühlte sich in der klimatisierten Luft mit einem Mal kalt und feucht an.
Ich wischte mir mit dem Jackenärmel die Stirn ab und griff zu meinem Stock. Der Mann, der sich Legion nannte, wirkte jetzt wieder ganz normal, wie ein Arbeiter, der sich über seine Mahlzeit beugt und schmatzend sein Essen genießt.
Aber mein Herz raste nach wie vor. Während ich auf seinen Rücken starrte, nahm ich mir vor, dass mich diese dumpfe Angst, die er mir eingejagt hatte, nicht begleiten sollte, wenn ich von hier wegging.
»Diesmal hinterlasse ich Ihnen ein Andenken. Bloß damit Sie wissen, was Ihnen blüht, wenn wir uns wieder über den Weg laufen«, sagte ich, zog ihm den Teller weg und spuckte hinein.
Clete trug eine neue Hose und ein gestärktes Hemd, als er am Mittwochnachmittag in meinen Köderladen kam, hatte Haare und die Augenbrauen frisch gestutzt und eine goldene Kette mit einem Medaillon um den Hals hängen, das ich noch nie gesehen hatte.
»Willst du ein paar Würmer baden?«, fragte ich.
»Nein,
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