Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
eigentlich nicht. Hab bloß gedacht, ich schau mal vorbei.«
»Aha«, sagte ich.
»Ich bin am Montag mit Barbara Shanahan bei einem Bankett gewesen«, sagte er.
»Einem Bankett?«
»Yeah, im Country Club. Hat vor Anwälten nur so gewimmelt. Gestern Abend waren wir bei einem Gartenfest am Spanish Lake. Der Gouverneur war dort.«
»Ohne Scheiß? Wer noch?«
»Perry LaSalle.«
»War der auch beim Bankett?«
»Yeah, ich glaub schon.« Clete setzte sich auf einen der Barhocker am Tresen und trommelte mit den Fingernägeln auf die Resopalplatte. Er blickte zu mir auf. »Willst du damit sagen, dass mich Barbara bloß benutzt, um LaSalle zu triezen?«
Das Telefon klingelte, sodass ich ihm keine Antwort geben musste. Als ich auflegte und mich wieder umdrehte, starrte Clete durch das Fliegendrahtfenster auf die Brassen, die zwischen den Seerosenfeldern auf der anderen Seite des Bayous die Wasseroberfläche durchstießen. Drei lange Falten zogen sich wie Spanndraht über seine Stirn.
»Was ist los, Partner?«, fragte ich.
»Gestern Abend hab ich Barbara gesagt, dass ich sie gern habe. Außerdem hab ich ihr erklärt, dass sie womöglich für ’nen Typ schwärmt, von dem ich nicht viel halte, aber wenn sie sich so entschieden hätte, könnte ich auch jederzeit die Kurve kratzen.«
»Wie hat sie’s aufgenommen?«
»Sie ist sauer geworden.«
»Ihre Schuld. Pfeif drauf.«
»Das ist noch nicht alles. Sie wohnt in einem Apartment am Bayou. Ich bin schon unten, will zum Parkplatz gehen, als sie die Treppe runterkommt. Sie entschuldigt sich. Der Mond steht am Himmel, die Azaleen, die Bougainvilleen und die Glyzinien blühen. Auf Strümpfen steht sie da, ohne Schuhe, macht ein Gesicht wie ein kleines Mädchen. Sie nimmt mich am Arm und führt mich wieder nach oben. Dave, so was erlebt jemand wie ich normalerweise nicht, nicht mit so einer Frau. Ich hab gedacht, in meinem Kopf gehen Raketen los, als ich sie im Wohnzimmer geküsst habe.«
»Äh, vielleicht solltest du jetzt nicht unbedingt weiter erzählen, Cletus.«
»Dann klopft’s an die Tür.«
»LaSalle?«
»Nein, irgendein Bauernlackel, der Illustrierte und Bibeln verkauft. Marvin Soundso heißt er.«
»Marvin Oates?«
»Yeah, das isser. Der reinste Hochstapler. Hat so ’nen niedlich-nuschligen Akzent und schaut einen so jämmerlich an, als wäre ihm grade die Tür vom Waisenhaus vor der Nase zugeschlagen worden. Aber Barbara fährt voll drauf ab, macht ihm ein Sandwich und gießt ihm ein Glas Milch ein, fragt ihn, ob er ein Eis mit Schokosoße dazu will. Mir ist fast schlecht geworden. Sie hat gesagt, sie hätte vergessen, dass sie Marvin aufgefordert hätte, bei ihr vorbeizuschauen, was hieß, dass ich gehen sollte.«
Ich nahm zwei Süßwasserruten, die in der Ecke lehnten, beide mit Mepp-Spinnern bestückt, die in den Korkgriff gehakt waren, und warf Clete eine zu.
»Komm, wir geben den Fischen was zu knabbern«, sagte ich.
»Es geht noch weiter«, sagte er. Er warf mir einen kurzen Blick von der Seite zu. Mit seinem rosigen Gesicht, das im Lichtschein vor Schweiß glänzte, und den frisch geschnittenen Haaren wirkte er wie ein kleiner Junge.
Ich setzte mich neben ihn und versuchte, nicht auf meine Uhr zu blicken. »Und wie geht’s weiter?«, fragte ich und tat so gespannt wie möglich.
»Ich bin wieder in meinem Motel und will grade einschlafen, als vor Zerelda Caluccis Hütte ein Auto vorfährt. Rat mal, wer?«, sagte er. »Perry LaSalle mal wieder. Als ob mir auf Schritt und Tritt Perry LaSalle über den Weg laufen muss. Als ob jede Braut hier in der Gegend, auf die ich ein Auge geworfen habe, irgendwas mit Perry LaSalle am Laufen hat. Bloß dass er diesmal gewaltig was auf den Sack kriegt.
Zerelda nennt ihn einen Waschlappen und hirnlosen Deckhengst, dann nimmt sie einen Blumentopf, der auf dem Gehweg steht, und knallt ihn auf das Armaturenbrett von seinem Kabrio.
Ich hör sein Auto wegfahren und denke mir: Ah, endlich komm ich zum Schlafen. Zehn Minuten später klopft Zerelda an meiner Tür. Mann, die war zum Sterben schön mit ihren dicken Ding-Dongs, der blassen Haut, den schimmernden schwarzen Haaren und dem feuerroten Lippenstift, und außerdem hat sie ’ne große, dick beschlagene Flasche Schampus dabei und sagt: ›Hey, Ire. Ich habe grade den schlimmsten Scheißabend in meinem ganzen Leben hinter mir. Hast du Lust, dir was anzuhören?‹
Und ich sage mir: Leg dich wieder schlafen, Clete. Barbara Shanahan wartet morgen auf dich.
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