Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
ist Samstag.«
»Das hab ich ihr auch gesagt. Sie hat sich das Höschen nass gemacht und es auf den Korridor geworfen, damit ich’s aufhebe. Ist es dir recht, wenn sie raus zu deinem Haus kommt, sobald wir sie auf Kaution rauslassen?«, sagte er.
Ich bat Batist, auf den Laden aufzupassen, und fuhr zum Gefängnis. Sherenda, deren Männername Claude Walker lautete, wusch sich die Unterarme in der Blechspüle, die oben in der Kommode eingelassen war. Sie tupfte sich das Gesicht mit einem lavendelfarbenen Taschentuch ab und steckte es in ihren BH. Dann schlang sie die Hände um die Gitterstäbe und klickte mit den spitzen roten Fingernägeln auf den harten Stahl.
»Hat euch Legion das Leben schwer gemacht?«, fragte ich.
Sie beugte die Knie, reckte den Hintern raus und fing an zu grinsen, dann ließ sie das Getue sein.
»Der Mann hat die ganze Nacht lang irgendwelchen Scheiß geredet. Hab kein Wort davon verstanden. Schon mal ’ne fauchende Katze in ’nem Abflussrohr gehört? Hat die arme Cheyenne zu Tode erschreckt. Wieso tun Miss Helen und Sie uns so was an?«
»Er ist ein Cajun. Vermutlich hat er Französisch gesprochen«, sagte ich.
»Schätzchen, ich kenn Französisch, wenn ich’s höre. Mit Französisch war ich mit dem Jungen in jeder Hinsicht klargekommen. Aber darum geht’s nicht«, sagte Sherenda.
Sherendas Freundin, deren Frauenname Gheyenne Prejean lautete, holte hinten in der Zelle tief Luft und hob den Kopf. Ihre Augen waren verquollen und rot um die Ränder, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen; der Mund mit dem verschmierten Lippenstift wirkte wie eine zertretene Blume.
»Meine Mutter war Predigerin. Dieser Mann hat Namen aus der Heiligen Schrift gerufen. Er hat mit Dämonen geredet, Mister Dave«, sagte sie.
Sie starrte ins Leere, wie ein Wesen, das Laute hört, die niemand anders wahrnimmt.
15
Der Sheriff wohnte in einem geräumigen gelben Holzhaus mit einer breiten Galerie und stahlgrau gestrichenem Fachwerk oben am Bayou Teche. Der Himmel war nach dem Regen klar und blau, als ich in seine Auffahrt stieß, und er rechte gerade das Laub aus dem Bachlauf und türmte es zum Verbrennen zu einem schwarzen Haufen auf.
»Die Tunten haben Ihnen erzählt, dass Legion Guidry mit Dämonen redet?«, sagte er und stützte die Hände auf den Rechenstiel.
»Yeah, ich glaube, das trifft es in etwa«, erwiderte ich.
»Sie sind am Samstag hierher gefahren, um mir so was zu erzählen?«
»So etwas kommt nicht alle Tage vor.«
»Dave, Sie sind einfach zum Schreien. Bei Ihnen weiß ich nie, ob Sie mir wieder irgendwas aufbinden, auf das ein normaler Mensch nie im Leben kommt. Lassen Sie mich meine Schwiegermutter herrufen. Sie ist in Eckankar. Sie teleportiert sich mittels eines dritten Auges, das sie im Kopf hat, zur Venus, um die Aufzeichnungen über ihre früheren Leben zu überprüfen. Ich denke mir das nicht aus.« Das Wasser trat ihm in die Augen. »Wo gehen Sie hin?«
Ein Kontrastprogramm.
Am gleichen Nachmittag fand im City Park ein großes Gumbo-Wettkochen statt. Die gepflegten, im Schatten liegenden Rasenflächen, die sanft zum Bayou Teche abfielen, waren dunkelgrün, mit Azaleenblüten übersät, und rosa Wolkenstreifen riffelten sich am Himmel. Die Schreie der Kinder und das Scheppern des Sprungbretts hallten vom Swimmingpool im Park her, als wollten sie allesamt die frohe Botschaft verkünden, dass dies tatsächlich der erste Tag des neuen Sommers sei.
Inmitten der immergrünen Eichen, der ausgelassenen Menschenmenge, des Dufts nach Boudin und kochenden Shrimps, Okraschoten, Pekankuchen und Bier, das aus den Pappbechern schwappte, stieg Tee Bobby Hulin mit seiner Band auf eine zusammengezimmerte Bühne, stöpselte seine elektrische Gitarre in den Verstärker und stimmte eine abgewandelte Version von »Jolie Blon« an, die ich noch nie gehört hatte.
Es war wie bei der 1939er Aufnahme von Charlie Barnets »Cherokee« – ein Moment, in dem Musik in ihrer höchsten Vollendung entsteht, vermutlich aus dem Nichts und ohne eine bestimmte Absicht. Ein tiefes Grollen der Saxophone, ein sich allmählich aufbauender Rhythmus im Hintergrund, eine doppelte Melodieführung, die ineinander verzahnt war und dem Ganzen einen Rahmen gab, und inmitten von all dem ein Künstler, der etwas Neues geschaffen hatte, in einem langen Solo das Thema auskostete, das ihm spontan eingefallen war, ohne auch nur einmal die kunstvoll verflochtenen Harmonien zu stören, die um ihn gespielt wurden.
Tee
Weitere Kostenlose Bücher