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Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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wurden, in dem niemals jemand starb.
    Ich wollte mich in meinen Pickup setzen und über wellige Straßen brettern, die Gänge krachen lassen, über Holzbrücken donnern. Ich wollte tief in den Atchafalaya-Sumpf hineinfahren, fort von den Fesseln der Vernunft, in die Vergangenheit, in eine Welt der vergessenen Dialekte, der Alligatorjäger und Moospflücker, der Flussfischer und Schwarzbrenner, Trapper und Krabbenfänger, die sich an kein Gesetz hielten, in eine Welt, in der es Fuselwhiskey und Jax-Beer gab, Hahnenkämpfe und blutrote Boudins, ungeschälten Reis, der schwarz aus dem Kochtopf kam, in Rum gesottenes Schweinefleisch und mit Maiskolben und Artischocken gekochte Flusskrebse, wo man ein Glas Jim Beam in einen dick beschlagenen Krug Fassbier kippte und flaschenweise Pearl, Grand Prize und Lone Star in Badewannen voller Eis kühlte – all das inmitten der überfluteten Wälder im Schwemmland am Rand der Welt, wo Ebbe und Flut und der Lauf der Sonne das einzige Zeitmaß waren.
    Du musst dich lediglich von den Banden der Beschränkung befreien, bloß die Fäden durchschneiden, mit denen deine Haut an das härene Gewand der Normalität genäht ist.
    Ich stieg in den Pickup, dessen Karosserie vom Wind geschüttelt wurde, der vom Golf wehte, während ich mit Vollgas die Vierspurige runterfuhr, bis ich die Brücke sah, die sich in Morgan City über den Atchafalaya spannte, und das Geflecht der ineinander übergehenden Bayous und Kanäle, die Krabbenkutter und Vergnügungsboote, die inmitten der moosig grünen, wie mit einem sanften Schleier überzogenen tropischen Landschaft vertäut waren, die fast jeden unversehrten Wasserlauf in Südlouisiana säumt. Ich bog auf den Parkplatz einer aus Brettern zusammengezimmerten Bar mit einer verschnörkelten, grün-goldenen Dixie-Bierreklame im Fenster, die aussah, als wäre sie aus dem Dunst an die Straße getrieben.
    Fünf Minuten lang saß ich im ersten Morgengrauen da, während meine Hand zitternd den Schaltknüppel umschloss und Schweißtropfen auf meine Oberlippe traten. Dann fuhr ich wieder den Highway entlang, fünfzehn Meilen unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, während hupende Autos an mir vorüberzischten, bis nach New Iberia und zu dem Apartment, in dem Clete Purcel jetzt wohnte. Und die ganze Zeit fragte ich mich, wie, in Gottes Namen, ich am Sonntagmorgen zu einem Kater kam, ohne dass ich einen Tropfen Alkohol getrunken hatte.
    Ich saß an der Anrichte in seiner kleinen Küche, während Clete Kaffee kochte und eine fast bis zum Rand gefüllte Pfanne mit einem halben Dutzend Eiern, Speckstreifen, Wurstscheiben und gelbem Käse umrührte, über die eine Schicht gehackter Frühlingszwiebeln gestreut war, als sollten sie die Unmengen Cholesterin kaschieren, die ausgereicht hätten, um eine Abwasserleitung zu verstopfen. Er trug Schlappen, seine Dienstmütze von der Marineinfanterie und mit Feuerwehrautos bedruckte Boxershorts, die wie ein Frauenschlüpfer auf seiner Hüfte saßen.
    »Aber du bist nicht in die Bar gegangen«, sagte er, ohne mich anzuschauen.
    »Nein.«
    »Helen glaubt, du nimmst Speed.« Als ich nicht darauf einging, sagte er: »Hörst du heute Morgen schlecht?«
    »Ich habe ein paar von Bootsies Diätpillen geschluckt.«
    »Was noch?«
    »Ein paar Weiße.«
    »Vielleicht solltest du aufs Ganze gehen. Zieh dir ein paar Lines rein. Treib dich mit den Rotznasen in Nord-Lafayette rum«, sagte er.
    Er füllte einen Teller für mich und knallte ihn auf die Anrichte.
    Wir aßen schweigend. Draußen brach der Morgen an, der Wind pfiff durch ein Zuckerrohrfeld, und Aasvögel kreisten über einem Wäldchen. Ich gab vier Teelöffel Zucker in meinen Kaffee und trank ihn schwarz, in einem langen Zug.
    »Ich sollte mich lieber auf den Weg machen«, sagte ich.
    »Dein Gesicht kommt mir irgendwie sonderbar vor. Weiß Bootsie, wo du bist?«
    »Ich habe sie von unterwegs angerufen.«
    »Wir gehen zu einem Meeting«, sagte er.
    »Wir?«
    »Ich glaube, du überlegst dir grade, wie du dich wieder zudröhnen kannst. Das lass ich nicht zu. So ist das nun mal, Großer.« Er schlang mir die Hand um den Nacken und drückte zu; sein Atem roch nach dem Schnaps, den er letzte Nacht getrunken hatte.
    Ich wählte die Hotline der Anonymen Alkoholiker und erfuhr, dass in Lafayette ein Meeting stattfand. Wir fuhren in Cletes offenem Kabrio den alten Highway entlang, am Spanish Lake vorbei und durch Broussard, über Straßen, die von Bäumen und viktorianischen Häusern

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