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Die Schuld des Tages an die Nacht

Titel: Die Schuld des Tages an die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Scheine aus anderen Währungen dazutun. Manche haben ganze Bündel von Geldscheinen dieser Art. Nicht um sich zu bereichern. Einfach nur aus Sammelleidenschaft … Seht ihr diese beiden Unterschriften da? Die sind von Laurel und Hardy. Ich schwör euch, es ist wahr. Und die da ist von Errol Flynn, unserem planetarischen Zorro … Joe hat sie mir im Austausch für eine Kiste Wein aus Río geschenkt.«
    Er nahm seine Dollarnote, steckte sie wieder in die Hosentasche und kündigte händereibend an, noch vor Ende der Woche nach Oran zurückzukehren, um mit den GI s ins Geschäft zu kommen.
    Als sich das Misstrauen gelegt und man verstanden hatte, dass die Amerikaner nicht als Eroberer, sondern als Retter gekommen waren, zog es noch mehr Leute aus Río nach Oran, um zu sehen, was da so los war. Nach und nach verschwanden die letzten Spannungsherde, und die Zahl der Wachposten rund um die Gehöfte und Häuser nahm zusehends ab.
    André war Feuer und Flamme. Täglich sprang er in sein Auto und steuerte neue Tauschgeschäfte an. Nach jeder Kantinenrunde kam er mit seiner Beute zurück, und wir machten Stielaugen.Wir mussten unbedingt auch nach Oran, um selbst zu sehen, was es mit den Geschichten, die im Dorf über diese berühmten Yankees kursierten, auf sich hatte. Jean-Christophe bedrängte Fabrice, und der bedrängte seine Mutter, uns nach Oran zu fahren. Madame Scamaroni widersetzte sich zunächst, doch schließlich gab sie nach.
    Wir fuhren im Morgengrauen los. Die Sonne war noch gar nicht zu sehen, als wir in Misserghine ankamen. Auf der Straße flitzten hektisch die Jeeps umher, und in den Feldern machten verlotterte Soldaten lässig ihre Morgentoilette, laut singend und mit entblößtem Oberkörper. Im Straßengraben lagen defekte Lastwagen mit offener Motorhaube, umringt von untätigen Mechanikern, und vor den Toren der Stadt warteten ganze Konvois. Oran hatte sich verändert. Das Soldatenfieber, das sich der einzelnen Viertel bemächtigt hatte, tauchte die Stadt in eine Art Jahrmarktsstimmung. André hatte nicht übertrieben, die Amerikaner waren allgegenwärtig, auf Boulevards wie Baustellen, sie fuhren ihre Halftracks zwischen Dromedaren und Pferdekarren spazieren, ließen ihre Einheiten in Nähe der Nomadensiedlungen Stellung beziehen, erfüllten die Atmosphäre mit Lärm und Staub. Die Offiziere steuerten gelassen ihre winzigen Jeeps unter energischem Einsatz der Hupe durch die Menschenmengen. Andere saßen todschick gekleidet in galanter Gesellschaft in Terrassencafés, während aus dem Grammophon Songs von Dina Shore erklangen. Oran lebte im Rhythmus Amerikas. Uncle Sam hatte nicht nur seine Truppen über den Atlantik geschickt, sondern seine Kultur gleich dazu: die Rationsdosen mit der Kondensmilch obenauf, Schokoladentafeln und Corned Beef, Kaugummi, Coca-Cola und Candy, roten Käse, Zigaretten und Toastbrot. Die Bars übten sich in Yankee-Musik, und die yaouled , die kleinen Schuhputzer, sattelten jetzt auf Zeitungsjunge um, sausten zwischen Plätzen und Trambahnhaltestellen hin und her und riefen in einer undefinierbaren Sprache: »Stars and Stripes«. Auf den Gehwegen ließ der Wind Illustrierte und Wochenzeitungen wie Esquire , TheNew Yorker und Life rascheln . Die Liebhaber von Hollywoodfilmen fingen bereits an, sich mit ihren Lieblingsschauspielern zu identifizieren, indem sie deren Ticks nachahmten und genau wie sie die Lippen verzogen; und die Händler begannen, schamlos auf Englisch draufloszuschwindeln und Phantasiepreise zu fordern …
    Mit einem Schlag kam Río Salado uns fad und langweilig vor. Oran hatte von unserer Seele Besitz ergriffen. Dort herrschte ein Trubel, der das Blut in unseren Adern zum Brodeln brachte, ein Pep und ein Übermut, der uns animierte. Wir waren wie besoffen, völlig hingerissen von der Umtriebigkeit auf den Straßen, in den prächtigen Läden und den rammelvollen Bars. Beim Anblick all der Kaleschen, Autos und Trambahnen, die kreuz und quer umeinander kurvten, wurde uns fast schwind lig, ganz zu schweigen von der Anmut der Mädchen, die uns schwingenden Schrittes, forsch, ohne dabei frivol zu sein, umschwirrten wie paradiesische Huris.
    Es kam nicht in Frage, an diesem Abend nach Río zurückzukehren. Madame Scamaroni würde allein ins Dorf zurückfahren müssen. Sie überließ uns ein Zimmer über einem ihrer Geschäfte am Boulevard des Chasseurs, und wir mussten ihr hoch und heilig versprechen, in ihrer Abwesenheit keine Dummheiten zu machen. Kaum war ihr Wagen um

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