Die Schuld einer Mutter
und, nun ja, so wursteln wir uns durch.
Joe hebt den Kopf. »Dann verschieben wir das mit dem Auto«, sagt er entschieden, und ich weiß im selben Augenblick, dass wir beide dasselbe denken. Ein neues Auto ist völlig unwichtig, wo wir doch unsere drei Kinder gesund und munter hier bei uns haben. Traurig lächelt Joe mich an. »Vielleicht sollten wir Fergus morgen zur Schule mitnehmen, falls der Unterricht stattfindet. Damit sparen wir Kate und Guy den Weg.«
»Gute Idee. Ich wollte sowieso gleich bei ihr anrufen und sie fragen, wie es ihr geht. Ich werde es ihr anbieten.«
James kommt herein und holt sich eine der Chipstüten, die ich heute Morgen bei Asda gekauft habe. Vermutlich werden sie bis morgen früh alle verschwunden sein. Manchmal glaube ich, mit einem Haufen Heuschrecken zusammenzuwohnen, nicht mit Kindern.
James hat bemerkt, dass sein Vater nicht so fröhlich ist wie sonst. Er macht sich daran, Joes Arme auf untypisch sanfte, zärtliche Art zu reiben. Ich schaue verblüfft zu, denn normalerweise kuschelt James nicht gerne mit uns. »Dad«, sagt er, »du weißt es vielleicht nicht, aber ich habe eine medizinische Ausbildung. Ich glaube, das ist ein …« – er lacht über seinen eigenen Witz und drischt plötzlich auf Joes Arm ein – »… Schlaganfall!« Dann springt er aus der Küche, die Chipstüte in der Hand und offenkundig völlig unberührt vom Stress der letzten zwei Tage.
Ich lasse Joe ein Bad einlaufen. Im Badezimmer ist es so eisig wie in einem Kühlschrank, weil unser altes Häuschen einfachverglast ist und das Dach des Badezimmers bedauerlicherweise nicht gedämmt. Beim Aussteigen aus der Badewanne beeilen wir uns, so gut wir können.
Ich habe Joe ein zweites Bier eingeschenkt und stelle es zwischen die endlose Sammlung von Shampooflaschen und Badeessenzen, die Sally kauft, wenn sie mit ihren Freundinnen shoppen geht. Ich lege ihm Pyjama und Morgenmantel auf den Heizlüfter im Schlafzimmer, so wie ich es früher immer für die größeren Kinder gemacht habe und bis heute für Sam tue, und dann rufe ich ihn.
Als er glücklich abgetaucht ist, gehe ich in die Küche hinunter und rufe Kate an. Guy meldet sich noch vor dem zweiten Klingeln.
»Guy, hier ist Lisa. Irgendwelche Neuigkeiten?«
»Wie bitte?«
»Gibt es Neuigkeiten?«
Ich höre Geräusche im Hintergrund, Türenknallen und gedämpftes Geschrei. Das könnte Kate sein, aber ich bin mir nicht sicher.
»Guy«, frage ich sanft, »ist alles in Ordnung?«
»Was glaubst du denn?«, fährt er mich an, und ich zucke zusammen.
»Es tut mir leid …«, stammele ich. »Ich rufe an, weil ich fragen wollte, ob ihr morgen Hilfe mit Fergus gebrauchen könnt. Du weißt doch, weil das Wetter so schlecht ist. Wir könnten ihn zur Schule mitnehmen, wenn euch das hilft.«
Guy atmet gedehnt aus, voller Verachtung, wie ich meine. »Jetzt ist wirklich nicht der passende Moment, Lisa.«
»Äh, okay, tut mir leid, euch gestört zu haben, ich wollte nur …«
»Leg auf, ja? Leg einfach auf und mach die verdammte Leitung frei.«
»Ich … ich …«
Aber er ist schon weg. Hat einfach eingehängt.
Ich stehe in der Küche und starre den Hörer in meiner Hand an, bis jemand an die Haustür hämmert.
Ich laufe hin und denke: Das ist Kate! Oder Lucinda! Aber als ich die Haustür öffne und mir ein eiskalter Luftzug ins Gesicht fährt, sehe ich keine der beiden. Auf der Treppe steht nur die bebende Alexa.
»Alexa«, rufe ich, »wie, um alles in der Welt, bist du hergekommen? Es ist viel zu gefährlich, Auto zu fahren.«
»Wo ist Joe?«, fragt sie und schiebt sich an mir vorbei ins Haus.
»In der Badewanne. Warum fragst du? Was ist denn los, Alexa, was ist passiert?«
»Sag ihm, er soll rauskommen«, befiehlt sie.
24
S ally steht in der Küche und schenkt sich ein Glas Milch ein, als Alexa hereinplatzt. »Würdest du uns bitte ungestört reden lassen, Sally?«, sagt sie.
Sally starrt mich an. Offenbar ist Alexa vollkommen von der Rolle.
Sie trägt eine Pyjamahose aus blauem Flanell mit Schäfchendruck und dazu Schneestiefel und eine schwarze Daunenjacke. Ihr sonst so seidiges blondes Haar ist strähnig und zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zurückgebunden. Einzelne Härchen stehen ihr von den Schläfen ab. Sie hat schwarze Schmierflecken unter den Augen, weil sie sich offenbar nicht richtig abgeschminkt hat.
Ich nicke kurz zur Seite, was für Sally bedeutet: Schnell, lauf. Als sie aus dem Zimmer ist, sage ich zu Alexa: »Was soll das
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