Die Schuld einer Mutter
preisgeben.«
»Du willst das jetzt sicher nicht hören, Joe, aber ich glaube, wenn du mir jemals fremdgehen würdest, würde ich dich tatsächlich sofort verlassen. Ich käme damit nicht zurecht. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, wie du auf einer anderen Frau liegst.«
»Aber für dich ist es okay?«
»Es ist gar nicht okay. Etwas Schlimmeres habe ich nie getan. Und das ausgerechnet dir. Du bist der Mensch, den ich am meisten liebe.« Ich versuche, sein Gesicht zu berühren, aber er zuckt zusammen. »Ich ekle mich seitdem vor mir selbst, ich war sogar beim Arzt wegen einem Reizdarmsyndrom …«
»Ich erinnere mich«, sagt er.
Ich weiß selbst nicht, warum ausgerechnet jetzt alle Dämme brechen, aber ich fange hemmungslos zu weinen an. Vielleicht, weil ich mich an seine Besorgnis in jener Zeit erinnere. Er hatte Angst, ich könnte ernstlich erkrankt sein. Und das war ich auch, ich war am Ende. Aber ich konnte mich ihm nicht anvertrauen.
Wir schweigen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit dreht er den Kopf. »Hast du mich nicht mehr geliebt, lag es daran?«, fragt er.
»Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.«
»Ich weiß. Ich habe immer gedacht, wir beide sind unangreifbar. Ich habe uns immer für besser gehalten als diese Idioten.« Er spricht von Kate und Guy, von Alexa und Adam. »Als wir da eingeladen waren und sie dieses blöde Affentheater veranstaltet haben, habe ich selbstzufrieden danebengesessen. Selbstzufrieden, denn ich dachte, nur wir beide wissen, was wahre Liebe ist.«
»Warum hast du, wenn es so war, so viel getrunken?«
»Freibier«, sagt er, und ich kann nicht anders, als zu lächeln.
»Du warst genauso unsicher wie ich«, sage ich. »Diese ganzen Sachen, die Alexa da eben gesagt hat. Dass wir kleine Leute sind … genau so habe ich mich damals gefühlt. Ich weiß: Was sie sagt, klingt lächerlich, sie stand da wie der letzte arrogante Snob … aber ein Körnchen Wahrheit steckt darin. Ich fühle mich ganz oft so.«
»Du glaubst, die anderen wären etwas Besseres als du?«
»Sie sind was Besseres als ich.«
Joe seufzt. »Lisa, du verwechselst ihre Weltsicht mit der Wahrheit. Du glaubst, sie wären was Besseres, nur weil du ihnen erlaubst, sich so aufzuführen. Du glaubst, nur weil sie mehr Geld haben …«
»Es liegt nicht am Geld«, unterbreche ich ihn, »es ist alles. Ich habe mein Leben nicht so im Griff wie sie, ich gehe mit den Kindern nicht so um, und mit dem …«
»Kate und Alexa haben nicht einmal einen Job, Lise. Können wir bitte bei den Fakten bleiben? Hast du deswegen getan, was du getan hast?« Er streichelt meine Wangen, wischt die Tränen weg. »Hast du deswegen dieses Arschloch gevögelt?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich glaube, er hat mir geschmeichelt. Ich war geschmeichelt, weil er mich wollte.«
»Natürlich würde er dich sofort gegen Alexa eintauschen … natürlich wollte er dich, Baby. Wie kann man dich denn nicht wollen?«
Dritter Tag DONNERSTAG
26
S chlaf.
Das Einzige, was man sich nicht kaufen kann.
Früher haben Joe und ich ein Spiel gespielt, es hieß: Wer hat am wenigsten geschlafen?
Damals, als die Kinder noch klein waren und ich schon auf dem Weg zur Arbeit vollkommen geschafft war, zählte Joe die Stunden an den Fingern ab. Schließlich erklärte er dann, ich hätte mindestens zwei Stunden länger geschlafen als er.
Wir hatten sogar eine Art Schlaftabelle am Kühlschrank hängen.
Einmal fuhr ich zu einer Abholung; ich war unterwegs, um ein Rudel verwilderter Katzen aus irgendeiner heruntergekommenen Wohnung zu befreien, und dann entdeckte ich ihn: Mit zurückgeklapptem Fahrersitz und tief ins Gesicht gezogener Baseballkappe stand er glücklich schnarchend am Straßenrand. »Ich warte auf einen Fahrgast«, erklärte er. Es war das einzige Mal, dass ich ihn wirklich hasste.
Jetzt liege ich neben ihm und höre ihn schnarchen und bin unendlich dankbar.
In der Nacht haben wir uns aneinander festgeklammert. Ich war völlig fertig und überemotional, er müde und erschöpft bis in die Knochen. Das Telefonat mit Guy Riverty hatte ich schon fast vergessen, aber kurz vorm Einschlafen fiel es mir plötzlich wieder ein. Ich setzte mich kerzengerade im Bett auf und erzählte Joe, wie Guy mich gebeten hatte, aus der verdammten Leitung zu gehen.
Ich weiß, dass ich es nicht verdient habe, von Guy gut behandelt zu werden, aber die Schroffheit seiner Worte rüttelte mich auf. Joe war mein Fels in der Brandung, selbst in seinem gebeutelten
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