Die Schuld einer Mutter
ihn seit Jahren, aber er konnte es nicht über sich bringen, mir die Wahrheit zu sagen. Ich will nur eins wissen: Wer weiß noch von eurer kleinen Affäre?«
»Wir hatten keine Affäre.«
»Wie auch immer. Wem hast du davon erzählt? Deinem Mann ja offensichtlich nicht. Ich will einfach nur wissen, wer hinter meinem Rücken über mich tratscht, damit ich mich wappnen kann.«
Ich trete von einem Bein aufs andere. »Keiner weiß etwas«, lüge ich und denke dabei an Kate. Du liebe Güte, wenn Alexa herausfindet, dass ihre eigene Schwester ihr so etwas verschwiegen hat … »Keiner«, wiederhole ich fest. »Ich habe mit niemandem darüber gesprochen.«
Alexa tupft sich die Augenwinkel ab.
Joe fragt: »Warum hat er es dir ausgerechnet jetzt erzählt? Warum jetzt, nach all der Zeit? Das ergibt doch gar keinen Sinn.«
»Das habe ich auch gesagt«, keift sie. »Aber er hat gesagt, wo wir jetzt alle so gestresst sind wegen Lucinda, und wo die Polizei unser Leben abklopft, hätte er das Geheimnis nicht mehr ertragen können.«
Joe nickt. »Alexa, möchtest du einen Drink?«, fragt er.
»Nein. Ich gehe jetzt. Ich weiß auch nicht, was ich gedacht habe, als ich hergekommen bin. Ich muss schon sagen, Joe, du nimmst es weitaus besser auf als ich. Ich lasse euch jetzt allein.« Sie dreht sich zu mir um. »Hast du irgendwelche Geschlechtskrankheiten?«, fragt sie, und ich schüttele den Kopf. »Gut. Ich hoffe, ich kann mich auf dein Wort verlassen.«
»Es tut mir leid, Alexa«, sage ich matt. »Ich wünschte, ich könnte es wiedergutmachen, ehrlich. Ich kann dir nur sagen, dass ich nie die Absicht hatte, irgendjemanden zu verletzen. Es ist einfach so … passiert.«
Sie mustert mich mit glühenden Augen.
»So etwas passiert nicht einfach. Es gibt immer tieferliegende Gründe, wie man so schön sagt. Du hast von Anfang an etwas gegen mich gehabt. Und ich weiß, warum Kate sich mit dir abgibt. Ich weiß, dass du ihr persönliches Projekt bist, oder wie immer man das nennen will. Sie hat diese lächerliche Vorstellung, sie könnte die Menschen retten, sie denkt, sie könnte euch kleinen Leuten das Gefühl geben, etwas Besonderes zu sein. Ich habe sie von Anfang an gewarnt. Im Ernst. Ich habe zu ihr gesagt: ›Kate, man kann das nicht vermischen. Das gibt nur Ärger.‹ Aber sie wollte nicht auf mich hören. Und nun sieh uns an. Nicht nur, dass du meinen Ehemann gevögelt hast, nein: Deinetwegen hat Kate ihre einzige Tochter verloren.«
25
W ir liegen im Bett, der Digitalwecker zeigt 23:40 Uhr an, und wir beide starren an die Decke.
Joe hat noch kein Wort gesagt. Ich habe versucht, mit ihm zu reden, ich möchte wirklich mit ihm reden, aber er weigert sich. Es ist nicht so, dass er mich bestrafen will; es ist noch viel schlimmer. Er ist körperlich nicht in der Lage zu reden, so als würde alles erst in dem Moment wahr, wenn er sich die Monstrosität des Ganzen eingesteht.
Ich liege da und warte. Der schwere Stein, der mir seit Lucindas Verschwinden im Magen liegt, wurde durch geschmolzenes Metall ersetzt. Es brennt und zerfrisst mich von innen. Ich hasse mich selbst. Ich hasse mich für alles, was ich getan habe.
Ich muss an Weihnachten denken und fürchte, dass das Fest diesmal eine Katastrophe wird. Wie lächerlich, jetzt an so etwas zu denken … aber werde ich Weihnachten überhaupt noch hier sein? Wird Joe noch hier sein? Oder wird er verschwinden, wird er ausziehen und bei seiner Mutter wohnen?
Ich kann nicht glauben, dass uns das passiert ist.
So viel Liebe, so viel Arbeit haben wir investiert. Für nichts und wieder nichts. All die Energie und das Herzblut, das es braucht, eine fünfköpfige Familie zusammenzuhalten und den Alltag reibungslos zu gestalten. Und ich habe alles weggeworfen für – wofür eigentlich? Für drei Minuten? Drei kurze, widerliche Minuten.
Die Matratze zwischen mir und Joe ist kalt. Ich schiebe meine Hand über die alten, abgewetzten Laken. Die Distanz fühlt sich größer an als je zuvor. Ich berühre Joes Hand, er zieht sie nicht weg.
»Sag mir nur eins«, sagt er tonlos, »habe ich mir die ganze Zeit etwas vorgemacht in Bezug auf uns beide? Habe ich unser Leben all die Jahre für etwas gehalten, das es gar nicht ist?«
»Nein«, weine ich leise.
»Warum dann? Warum hast du mir das angetan? Du hast immer gesagt, du würdest mir einen Seitensprung nie verzeihen. Du hast immer gesagt, dann gäbe es für dich kein Zurück mehr, damit würde ich unsere Ehe der Lächerlichkeit
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