Die Schuld einer Mutter
ist dahinten«, sage ich, steige die Treppe hinunter und zeige zur Küche.
»Ein hübsches Haus«, bemerkt sie abwesend, und ich nicke.
»Nicht wahr?«, sage ich.
Irgendwie haben Notärzte die Fähigkeit, selbst in Krisensituationen eine große Ruhe auszustrahlen. Sie machen sich so gelassen und konzentriert an die Arbeit, dass man für einen Moment vergisst, dass es hier um Leben und Tod geht.
Ich gehe in die Küche und halte mich im Hintergrund, um nicht im Weg zu stehen. Der Sanitäter, der am Boden neben Kate kniet, begrüßt die Notärztin mit den Worten: »Ganz schön glatt auf den Straßen, was, Megan?«
»Ein bisschen. Wie geht es ihr?«
Rasch klärt er sie über den Zustand der Patientin auf, als ein weiterer Sanitäter mit einer Trage hereinkommt. »Es ist viel zu glatt, um den Rollwagen zu nehmen«, sagt er in den Raum hinein.
»Ich bin die Freundin«, erkläre ich, und er nickt mir grimmig zu.
»Haben Sie das Haus nach leeren Medikamentenverpackungen abgesucht?«, fragt er mich, und ich bejahe. Ich habe aber nichts gefunden. Ich will gerade sagen, dass ich mir nicht ganz sicher bin, weil ich nicht genug Zeit für eine gründliche Suche hatte, als wir lautes Hämmern aus dem Obergeschoss hören.
Ich schließe die Augen.
Als ich sie wieder öffne, sehen alle mich an. »Der Sohn«, flüstere ich heiser. »Bestünde die Möglichkeit, sie möglichst schnell von hier wegzuschaffen?«
Als ich den Kopf der Treppe erreiche, hat sich das verzweifelte Hämmern schon zu einem gelangweilten, rhythmischen Klopfen beruhigt.
Der Gedanke, dass Kate ganz allein beim Transport ins Krankenhaus ist, gefällt mir gar nicht, aber es geht nun mal nicht anders. Ich kenne Alexas Telefonnummer nicht auswendig, und da ich Guy nicht erreichen kann …
Ich schließe die Tür auf und setze mein breitestes Lächeln auf, ein Lächeln, das bei meinen Kindern sofort für größtes Misstrauen sorgen würde.
Ich beschließe, Fergus die halbe Wahrheit zu sagen. Ich habe nicht die Nerven, mir eine komplizierte Lüge auszudenken, um diesem Kind jeden weiteren Schrecken zu ersparen. Deswegen sage ich einfach: »Fergus, ich weiß, dass du nicht damit gerechnet hast, mich heute Morgen hier zu sehen«, und dann lache ich nervös, »aber deiner Mummy geht es nicht so gut. Ehrlich gesagt musste sie ins Krankenhaus … Sie hat mich gebeten, mich so lange um dich zu kümmern. Ist das in Ordnung? Wie wäre es, wenn wir nach unten gehen und ich Frühstück mache?«
Sein Auge ist wieder entzündet. Das linke. Es ist blutunterlaufen, das Lid geschwollen. Ich muss die Tropfen finden, die Kate ihm immer gibt.
Manchmal finde ich Fergus seltsam. Ein bisschen merkwürdig. Dabei bin ich an Jungs gewöhnt. Ich habe selber zwei, außerdem sind im Laufe der Jahre viele Jungs bei uns zum Spielen gewesen. Ich kenne die hyperaktiven, die nicht stillsitzen können und das Badezimmer verwüsten, sobald man sie auch nur einen Moment aus den Augen lässt. Ich kenne die, die nichts essen außer Hotdogs oder Keksen oder Haribo. Ich kenne die, die kein Wort reden und, wenn man sie vor eine DVD setzt, in Trance verfallen und erst wieder aufwachen, wenn der Abspann läuft. Ich kenne sogar die, die »Scheiße« und »Kacke« und »Mist« und »Arschloch« sagen. Irgendwie fand ich es immer besonders süß, wenn ein Siebenjähriger solche Worte in den Mund nimmt.
Aber wie ich schon sagte, finde ich Fergus manchmal ein bisschen seltsam. Ich kann nichts mit ihm anfangen.
Es ist, als hätte ich keinen Zugang zu ihm. Je mehr ich mich um ihn bemühe, desto verständnisloser sieht er mich an, so als mache ich alles falsch. Irgendwann habe ich es aufgegeben. Sam und Fergus haben immer nur zwangsweise miteinander gespielt, weil Kate und ich befreundet sind, das muss ich inzwischen einsehen. Es kam uns gerade recht, die beiden zusammen spielen zu lassen. Nun aber, da sie sieben Jahre alt sind, treten die Unterschiede zwischen den Jungen umso klarer zutage – nun ja, ich kann schon verstehen, warum Sam von Fergus eine erhöhte Spielgebühr verlangt hat. Man könnte ihn wirklich als anstrengend bezeichnen.
Als ich ihm erzähle, dass Kate im Krankenhaus ist, sagt er kein Wort. Nichts. Er folgt mir einfach aus dem Zimmer und in die Küche hinunter. Beim Hereinkommen merke ich, dass es immer noch ein bisschen säuerlich nach Kates Erbrochenem riecht, und dann ist da noch dieser andere, unangenehm faulige Geruch, aber Fergus sagt nichts dazu. Er setzt sich an die
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