Die Schuld wird nie vergehen
länger ertragen konnte noch seine Weigerung, Einzelheiten von seinem Job mit ihr zu besprechen. Emily dagegen war Fingerabdruckexpertin im Labor des FBI. Sie hatte ihren Job aufgegeben, nachdem ihr zweites Kind zur Welt gekommen war. Victor machte sich Sorgen, ob sie sich langweilte, wenn sie die ganze Zeit zu Hause blieb. Es überraschte ihn, dass es sie vollkommen ausfüllte, ihre Kinder großzuziehen und ihn zu ertragen. Victor war klar, wie viel Glück er gehabt hatte, jemanden zu treffen, der seinen Beruf aus eigener Anschauung kannte.
Nach dem Essen sah Victor nach seinen Kindern. Sein Sohn war in ein Videospiel vertieft, und seine Tochter telefonierte mit ihrer besten Freundin. Sie begrüßten ihn beide mit einem Gesichtsausdruck, der unmissverständlich signalisierte, dass er sie ja nicht stören sollte. Also ging Victor wieder nach unten und schaltete der Fernseher ein. Ein Selbstmordattentäter hatte sich und sieben weitere Menschen in einem Cafe in Jerusalem in die Luft gesprengt, und es gab eine überraschende Entwicklung in dem Little-League-Fall.
Während der Nachrichtensprecher die sensationelle Geschichte in Oregon diskutierte, brachte der Sender noch einmal den Film von der Prügelei, die zu der Verhaftung eines Assistenztrainers der Little League wegen Körperverletzung in mehreren Fällen geführt hatte. Victor stand auf, als das verwackelte Amateurvideo das Gesicht eines Mannes einfing, bei dem es sich dem Sprecher zufolge um Daniel Morelli handelte. Er erklärte weiter, eine bis dato unbekannte Frau habe Morelli zur Flucht aus der geschlossenen Abteilung des County-Krankenhauses verholfen. Das von einem Polizeizeichner angefertigte Phantombild einer Frau und ein Polizeifoto von Morelli flackerten über den Bildschirm.
Hobson war kurz nach dem Mord an dem Kongressabgeordneten Eric Glass nach Lost Lake geflogen. Vanessa Wingate war zu dem Zeitpunkt bereits von ihrem Vater aus dem Krankenhaus weggeschafft worden. Das einzige positive Ergebnis seines Ausflugs war die Möglichkeit gewesen, die Armyunterlagen von Carl Rice studieren zu können, die dem Sheriff von Vanessas Vater zur Verfügung gestellt worden waren. Hobson besaß noch eine Kopie dieser Akte, in der sich auch das einzige Foto befand, das er jemals von Rice hatte auftreiben können. Das Gesicht auf dem Polizeifoto war älter und von Sorgenfalten gezeichnet, aber Hobson hatte keinerlei Zweifel, dass es sich bei Daniel Morelli um Carl Rice handelte.
Hobson schaltete den Fernseher aus. Am Tag, nachdem Morris Wingate öffentlich seine Absicht erklärt hatte, gegen Präsident Charles Jennings um die Nominierung seiner Partei zum Präsidentschaftskandidaten anzutreten, hatte Hobson einen Anruf von Ted Schoonover erhalten, einem ehemaligen CIA-Mann und dem Sicherheitschef des jetzigen Präsidenten. Schoonover hatte ihn zum Frühstück in ein griechisches Restaurant in einem Einkaufszentrum in einem Vorort von Maryland eingeladen. Hobson hätte darauf gewettet, dass kein einziger bedeutender Mann aus Washington jemals seinen Fuß in diesen Laden gesetzt hatte. Schoonover war ein kleiner Mann mit schütterem Haar und einem Doppelkinn. Kaum jemand, der in einer Menge auffallen würde. Nach ihrem Treffen hatte Hobson ihn überprüfen lassen. Bis auf einige grundlegende Personalinformationen war Schoonover ein fast schon gruselig unbeschriebenes Blatt. Hobson fand nur heraus, dass Schoonover unter Charles Jennings gearbeitet hatte, als der noch Direktor bei der CIA gewesen war. Als Hobson versuchte, mehr Einzelheiten über den ehemaligen Geheimdienstler in Erfahrung zu bringen, teilte man ihm mit, dass er nicht die nötige Sicherheitsstufe für die entsprechenden Daten besaß.
Während des Frühstücks hatte Schoonover Hobson gefragt, ob er Wingates Ankündigung gehört hatte. Dann bat er den FBI-Mann, ihn über die Ereignisse in Lost Lake und ihr Folgen in Kenntnis zu setzen. Als Hobson fertig war, wollte Schoonover wissen, ob es neue Informationen über den Verbleib von Carl Rice gab. Hobson hatte Schoonover mitgeteilt, dass er seit Mitte der achtziger Jahre nichts mehr von Rice gehört habe. Schoonover erklärte ihm, dass der Präsident sofort informiert werden wolle, sollten neue Erkenntnisse in diesem Fall auftauchen.
Hobson hatte Schoonover nach seinem Telefonat mit Vanessa Wingate nicht verständigt, weil er nichts Konkretes zu berichten hatte. Nun jedoch nahm er Schoonovers Visitenkarte aus seiner Brieftasche und wählte die
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