Die Schuld wird nie vergehen
Blick zur Uhr auf ihrem Nachttisch. Es war Viertel vor zwei morgens, in ihrem Schlafzimmer war es stockfinster. Ein dumpfer Schlag hatte sie aus ihrem tiefen Schlummer gerissen, aber sie war nicht sicher, ob sie das vielleicht geträumt hatte.
Sie setzte sich auf und lauschte. Sie hörte nichts außer dem Ticken der Standuhr unten im Flur. Chad hatte diese Antiquität geliebt. Das metallische Klacken der Zeiger war nachts deutlich zu hören und hatte Ami immer gestört, aber sie brachte es einfach nicht über sich, die Uhr nach Chads Tod wegzugeben. Nun war dies das einzige Geräusch, das sie wahrnahm. Sie hatte sich gerade eingeredet, dass der Schlag, der sie geweckt hatte, ihrer Phantasie entsprungen war, als eine Bodendiele knarrte.
Jemand schlich die Treppe hoch und versuchte dabei, möglichst kein Geräusch zu machen. Ami sprang aus dem Bett. Ihr Herz hämmerte fast schmerzhaft in ihrer Brust, als ihr wieder einfiel, dass ein Polizist im Haus war. Sie schalt sich eine Närrin, als der Türknopf sich drehte.
Ami hastete zur Tür und stemmte sich dagegen. Der Knopf drehte sich nicht weiter.
»Wer ist da?«
Die Holztür zersplitterte. Scharfe Splitter drangen in Amis Haut, und eine Kante der Tür prallte gegen ihre Stirn. Sie fiel rücklings aufs Bett. Ein Schatten beugte sich über sie. Der Mann war ganz in Schwarz gekleidet und verschmolz fast mit der Dunkelheit. Er hob ein bedrohlich aussehendes Messer, dessen gezackte Schneide im Licht des Mondes funkelte, der plötzlich hinter einer Wolke auftauchte. Ami rollte sich vom Bett auf den Boden. Im selben Moment wurde sie gewaltsam an den Haaren hochgezogen. Der Schmerz war fast unerträglich. Sie schrie, und der Griff an ihrem Haar lockerte sich. Ami rollte auf den Rücken und hob abwehrend die Hände. Ihr Angreifer brach auf ihr zusammen. Ami schrie wieder, während sie versuchte, das Gewicht von sich zu stoßen, das sie auf den Boden drückte. Der Killer schlug jedoch nicht mehr zu und rührte sich auch kaum. Ami blickte über seine Schulter und sah einen zweiten Mann, dessen Gesicht unter einer ähnlichen Gesichtsmaske verborgen war, wie der erste Angreifer sie trug. Ami schob sich unter dem Mann hinaus, bis sie mit dem Rücken an die Wand stieß.
»Ich bin's«, sagte eine bekannte Stimme.
Der Mann zog die Skimaske herunter. Über ihr stand Carl Rice. Er hielt ein großes, blutverschmiertes Messer in der rechten Hand. Carl bemerkte ihren Blick und legte es auf den Boden.
»Ich tue Ihnen nichts. Ich habe im Radio von dem Mord an Dr. French gehört und wusste, dass man versuchen würde, Sie umzubringen.«
Ami schaffte es kaum noch zu atmen.
»Kommen Sie! Ich helfe Ihnen«, sagte Carl.
Er zog Ami auf die Füße. Sie schlug einen Bogen um die Leiche, damit sie den Toten nicht berührte, aber sie konnte den Blick nicht von ihm losreißen.
»Wer ist das?« fragte Ami, obwohl sie fürchtete, dass sie die Antwort bereits kannte.
»Einer von Wingates Leuten.«
»O nein«, stöhnte Ami. Die Vorstellung, dass eine so mächtige Person wie Wingate ihr nach dem Leben trachtete, überwältigte sie beinahe.
»Das war wirklich der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, wieder von den Toten aufzuerstehen«, erklärte Carl. »Wingate kann sich ausrechnen, dass die Polizei mich irgendwann wegen des Mordes an General Rivera und an Glass sucht. Er fürchtet, dass ich die Informationen über diese geheime Einheit im Austausch gegen eine Strafverminderung ausplaudern könnte. Sollte Präsident Jennings eine genauere Untersuchung über die Einheit einleiten, gehen Wingates Hoffnungen auf das Amt des Präsidentschaftskandidaten den Bach runter. Deshalb musste Dr. French sterben. Wingate wollte herausfinden, was ich Ihnen und dem Arzt erzählt habe und wer noch davon weiß. Ami, haben Sie der Polizei von unseren Gesprächen erzählt?«
Als er die Polizei erwähnte, fielen Ami ihre Aufpasser ein.
»Was ist mit den beiden Beamten passiert, die ... ?«
Carl schüttelte den Kopf. »Ich bin zu spät gekommen.«
»Diese armen Männer! Sie wollten mir nur helfen.« Sie fing an zu schluchzen. Carl packte ihren Oberarm. »Sie müssen sich zusammenreißen. Wir haben für so was keine Zeit.«
»Wir haben keine Zeit?« schrie Ami. Ihr Zorn fegte ihre Verzweiflung weg. »Sie sind an allem schuld! Die Männer würden noch leben, wenn Sie nicht da gewesen wären.«
»Und Sie wären tot«, antwortete er ruhig. »Das sind Sie vielleicht sowieso bald, wenn wir weiter herumstehen und uns
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