Die Schuld
gegen seinen Wunsch geschlossen worden. Schäbige dreiundvierzigtausend Dollar, wobei der Anwalt den Rest eingestrichen hatte! Immer wieder hatte er angerufen, bis er einen jungen Klugschwätzer an die Strippe bekam, der sagte, er solle sich das Kleingedruckte in dem Dokumentenstapel ansehen, den er unterzeichnet hatte. Darin war eine Klausel enthalten, die den Anwalt ermächtigte, sich zu vergleichen, sobald der angebotene Betrag eine sehr niedrige Grenze überstieg. Mr Worley hatte Mr Clay Carter zwei giftige Briefe geschrieben, jedoch nie eine Antwort erhalten.
»Ich war gegen den Vergleich«, wiederholte Mr Worley immer wieder.
»Jetzt ist es wohl zu spät«, fügte Mrs Worley hinzu.
»Vielleicht nicht«, erklärte der Arzt. Er erzählte ihnen von dem Patienten aus Kansas City, dessen Schicksal dem von Ted Worley ähnelte. »Er hat eine Anwältin engagiert, die sich seinen Anwalt vornimmt«, verkündete er voller Befriedigung.
»Von Anwälten hab ich die Nase voll«, sagte Mr Worley. Das galt auch für Ärzte, aber das behielt er für sich.
»Haben Sie die Telefonnummer?«, wollte Mrs Worley wissen, die wesentlich vernünftiger dachte als ihr Mann. Leider musste sie sich überlegen, was in ein oder zwei Jahren sein würde, wenn Ted nicht mehr lebte.
Rein zufällig hatte der Urologe die Nummer bei der Hand.
Auf Schadenersatzklagen spezialisierte Anwälte fürchteten nur eines auf der Welt: jemanden von ihrer eigenen Sorte. Raubritter, Verräter, die hinter ihnen aufräumten, wenn sie Fehler begingen. Diese Subspezies bestand aus wenigen brillanten und knallharten Prozessanwälten, die ihre Berufskollegen wegen fehlerhafter Vergleiche verklagten. Helen Warshaw schrieb gerade das Lehrbuch für sie.
Obwohl sie den Gerichtssaal angeblich so liebten, verließ die Schadenersatzanwälte jeglicher Mut, wenn sie sich vorstellten, wie sie als Beklagte mit belämmertem Gesicht vor einer Jury saßen, während ihre persönlichen Vermögensverhältnisse öffentlich diskutiert wurden. Nicht einmal Ärzte, die Kunstfehler begangen hatten, mieden den Gerichtssaal so wie Anwälte, die im großen Stil Fernseh- und Plakatwerbung betrieben hatten und dann dabei erwischt worden waren, dass sie sich bei einem Vergleich auf Betrügereien eingelassen hatten.
Als Mrs Worley anrief, bearbeitete Helen Warshaw in ihrer New Yorker Kanzlei vier Dyloft-Fälle und ging Hinweisen auf drei weitere nach. In ihrer kleinen Kanzlei gab es eine Akte über Clay Carter und eine viel dickere über Patton French. Sie beobachtete die etwa zwanzig wichtigsten auf Schadenersatzklagen spezialisierten Kanzleien im Land und verfolgte Dutzende der wichtigsten Sammelklagen. Obwohl sie zahlreiche Mandanten betreute und ausreichend Honorare einnahm, war die Dyloft-Katastrophe ihr bisher aufregendster Fall.
Nach ein paar Minuten am Telefon mit Mrs Worley wusste Helen genau, was passiert war. »Ich bin um fünf Uhr bei Ihnen«, sagte sie.
»Heute?«
»Ja, heute Nachmittag.«
Sie nahm den Linienflug nach Dulles. Einen eigenen Jet besaß sie nicht, und dafür gab es zwei sehr gute Gründe. Zum einen ging sie vorsichtig mit ihrem Geld um und hielt nichts von einer solchen Verschwendung. Zum zweiten wollte sie nicht, dass einem Geschworenengericht zu Ohren kam, dass sie einen Jet besaß, falls sie jemals verklagt wurde. Als es ihr im Vorjahr zum ersten Mal gelungen war, einen Fall vor Gericht zu bringen, hatte sie den Geschworenen großformatige, farbige Innen- und Außenansichten von den beiden Jets gezeigt, die der beklagte Anwalt besaß, und ihnen unter anderem Fotos seiner Jacht und seines Hauses in Aspen präsentiert. Die Geschworenen waren schwer beeindruckt gewesen. Zwanzig Millionen Strafschadenersatz.
Sie mietete ein Auto - keine Luxuslimousine - und fuhr zum Krankenhaus in Bethesda. Mrs Worley hatte die Unterlagen geholt, über denen Helen Warshaw eine Stunde lang brütete, während Mr Worley ein Nickerchen hielt. Als er aufwachte, wollte er nicht mit ihr reden. Er traute Anwälten nicht, und das galt besonders für ehrgeizige, weibliche New Yorker Exemplare dieser Gattung. Aber seine Frau hatte eine Menge Zeit und fand es einfacher, sich einer Frau anzuvertrauen. Daher gingen die beiden in den Aufenthaltsraum, um sich in aller Ruhe bei einem Kaffee zu unterhalten.
Hauptschuldiger war und blieb Ackerman Labs. Das Unternehmen hatte ein Medikament mit starken Nebenwirkungen hergestellt, es durch das Zulassungsverfahren gepeitscht, aggressiv
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