Die Schuld
auf St. Barth und renovierte die Villa, und dafür war Clay dankbar. Zumindest hatte sie keine Ahnung, wie gedemütigt und beschämt er sich fühlte.
Seine Gedanken waren bei Ted Worley. Er war weit davon entfernt, wütend zu sein. Vor Gericht wurden häufig absurde Vorwürfe erhoben, aber diese hier klangen authentisch. Sein früherer Mandant hatte die bösartigen Geschwülste mit Sicherheit nicht erfunden. Mr Worleys Krebserkrankung war die Nebenwirkung eines Medikaments und nicht durch einen schlechten Anwalt verschuldet. Aber sich in einem Fall, der schließlich und endlich Millionen wert war, auf einen Vergleich in Höhe von zweiundsechzigtausend Dollar einzulassen, das klang nach Verletzung der Anwaltspflicht und Habgier. Wer konnte es dem Mann verübeln, wenn er zurückschlug?
Während der endlosen Nacht badete Clay in Selbstmitleid. Sein Ego hatte einen schweren Schlag erlitten. Seine Feinde würden über die tiefe Demütigung triumphieren, die er vor Freunden, Kollegen und Angestellten hinnehmen musste. Ihm graute vor dem nächsten Morgen und den vernichtenden Kommentaren der Presse. Niemand würde ihn verteidigen.
Manchmal packte ihn die Angst. Konnte er wirklich alles verlieren? War das der Anfang vom Ende? Die Geschworenen würden auf der Seite der Gegenpartei stehen. Wie viele potenzielle Kläger gab es? Jeder Fall war Millionen wert.
Unsinn. Mit fünfundzwanzigtausend Maxatil-Fällen im Hintergrund konnte er alles durchstehen.
Doch immer wieder kehrten seine Gedanken zu Mr Worley zurück, dem Mandanten, den sein Anwalt nicht geschützt hatte. Seine Schuldgefühle waren so überwältigend, dass er ihn am liebsten angerufen hätte, um ihn um Verzeihung zu bitten. Vielleicht konnte er ihm schreiben. Er erinnerte sich lebhaft an die beiden Briefe, die er von seinem früheren Mandanten erhalten hatte. Jonah und er hatten ausgiebig darüber gelacht.
Kurz nach vier kochte Clay sich die erste Kanne Kaffee. Um fünf ging er ins Internet und las die Washington Post. Keine Terroranschläge in den letzten vierundzwanzig Stunden, keine Massenmorde. Der Kongress war in den Ferien, der Präsident auch. Nachdem sonst nicht viel los war, prangte unten auf der Titelseite eine lächelnde Karikatur des »Königs der Sammelklagen«. SCHADENERSATZKLÄGER WIRD AUF SCHADENERSATZ VERKLAGT lautete die Schlagzeile. Im ersten Absatz musste er Folgendes lesen:
Der Washingtoner Anwalt J. Clay Carter, der so genannte König der Sammelklagen, wurde gestern selbst von unzufriedenen Mandanten verklagt. Carter, der Berichten zufolge letztes Jahr einhundertzehn Millionen Dollar an Honoraren eingenommen hat, wird vorgeworfen, sich gegen Zahlung geringfügiger Entschädigungen auf einen Vergleich eingelassen zu haben, obwohl die betreffenden Fälle Millionen wert waren.
Die übrigen acht Absätze waren nicht besser. Clay raste zur Toilette, offenbar war er über Nacht an Darmgrippe mit schwerem Durchfall erkrankt.
Sein Bekannter vom Wall Street Journal fuhr schwere Geschütze auf. Von der linken Hälfte der Titelseite blickte Clay die gleiche hässliche Skizze seines selbstzufriedenen Gesichts entgegen. STEHT DER KÖNIG DER SAMMELKLAGEN VOR DER ENTTHRONUNG? lautete die Schlagzeile. Dabei klang der Artikel eher so, als sollte Clay nicht nur entthront, sondern verurteilt und ins Gefängnis geworfen werden. Jeder einzelne Unternehmensverband in Washington hatte etwas zu diesem Thema zu sagen. Die Äußerungen klangen geradezu erfreut. Welche Ironie, dass sie sich über einen weiteren Prozess freuten. Der Präsident der National Trial Lawyers Academy gab keinen Kommentar ab.
Kein Kommentar! Und das von der einzigen Gruppierung, die Rechtsanwälte sonst unerschütterlich unterstützte. Im nächsten Absatz erfuhr er den Grund dafür. Helen Warshaw war aktives Mitglied der New Yorker Trial Lawyers Academy. Ihre Referenzen waren überhaupt beeindruckend. Von der Kammer zugelassene Prozessanwältin. Redakteurin der juristischen Fachzeitschrift von Columbia. Sie war achtunddreißig Jahre alt, lief zum Spaß Marathon und wurde von einem früheren Gegner als »brillant und hartnäckig« beschrieben.
Eine tödliche Kombination dachte Clay, der schon wieder ins Bad rannte.
Während er auf der Toilette saß, wurde ihm klar, dass auch die Anwälte bei diesem Fall nicht auf seiner Seite stehen würden. Es war ein Familienstreit, da konnte er kein Mitgefühl, keine Verteidigung erwarten.
Einer ungenannten Quelle zufolge gab es ein Dutzend
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