Die Schuld
sechsundzwanzigtausend.« Gibb blickte noch verächtlicher drein, offenbar verabscheute er das Schadenersatzgeschäft.
»So ungefähr«, gab Clay zu.
»Sieht so aus, als hätten Sie die Werbung eingestellt. Wahrscheinlich hatten Sie endlich genug Fälle.«
»Man kann nie genug haben, Mr Mitchell.«
»Was tun Sie mit all den Fällen, wenn wir diesen Prozess gewinnen?«, äußerte sich Gibb schließlich.
»Was tun Sie, wenn Sie diesen Prozess verlieren?«, schoss Clay zurück.
Mitchell trat einen Schritt näher an ihn heran. »Wenn wir hier gewinnen, Mr Carter, dürfte es Ihnen schwerfallen, einen armen Anwalt zu finden, der Ihre sechsundzwanzigtausend Fälle übernimmt. Viel sind die dann nicht mehr wert.«
„»Und wenn Sie verlieren?«, fragte Clay.
Gibb kam ebenfalls näher. »Wenn wir hier verlieren, gehen wir nach Washington, um uns gegen Ihre an den Haaren herbeigezogene Sammelklage zu verteidigen. Natürlich nur, falls Sie bis dahin nicht im Gefängnis sitzen.«
»Ich werde Sie erwarten«, brachte Clay heraus, den diese Breitseite schwer getroffen hatte.
»Wissen Sie überhaupt, wo das Gerichtsgebäude ist?«, fragte Gibb.
»Ich habe kürzlich mit dem Richter Golf gespielt«, entgegnete Clay. »Und ich gehe mit der Protokollführerin aus.« Alles gelogen, aber damit hatte er den Angriff für den Augenblick abgewehrt.
Mitchell fasste sich und streckte ihm erneut die rechte Hand hin. »Wir wollten Sie nur begrüßen.«
Clay schüttelte sie. »Wirklich schön, von Goffman zu hören. Auf meine Klage haben Sie ja kaum reagiert.« Gibb wandte ihm den Rücken zu und ging davon.
»Wir reden miteinander, wenn dieses Verfahren hier abgeschlossen ist«, sagte Mitchell.
Als Clay gerade den Saal betreten wollte, verstellte ihm ein wichtigtuerischer Reporter den Weg. Er hieß Derek Irgendwas, war von der Financial Weekly und wollte nur ein, zwei Worte hören. Seine Zeitung stand weit rechts, hasste Prozessanwälte, verabscheute Schadenersatzklagen und betätigte sich allgemein als Sprachrohr der Industrie. Clay konnte es sich nicht erlauben, ihn mit »Kein Kommentar« oder »Verschwinden Sie« abzuspeisen. Irgendwie kam ihm sein Name bekannt vor. War das der Reporter, der sich so unfreundlich über ihn ausgelassen hatte?
»Darf ich Sie fragen, was Sie hier tun?«, fragte Derek. »Warum nicht?«
»Was tun Sie hier?«
»Wahrscheinlich das Gleiche wie Sie.«
»Und das wäre?«
»Ich genieße die Wärme.«
»Stimmt es, dass Sie fünfundzwanzigtausend Maxatil-Fälle vertreten?«
»Nein.«
»Wie viele?«
»Sechsundzwanzigtausend.«
»Was sind die wert?«
»Irgendwas zwischen null und ein paar Milliarden.« Clay hatte keine Ahnung, dass der Richter den Anwälten beider Seiten mit sofortiger Wirkung bis zum Abschluss des Verfahrens ein Interviewverbot erteilt hatte. Dass er selbst sich so auskunftsfreudig zeigte, erregte daher die Aufmerksamkeit der Menge. Zu seiner Überraschung fand er sich bald von Reportern umringt. Er beantwortete ein paar weitere Fragen, ohne jedoch wichtige Informationen preiszugeben.
Der Arizona Ledger zitierte ihn am nächsten Morgen mit den Worten, seine Fälle könnten zwei Milliarden Dollar wert sein.
Dazu erschien ein Foto von Clay vor dem Gerichtssaal mit der Unterschrift DER KÖNIG DER SAMMELKLAGEN IN
FLAGSTAFF. Es folgten eine kurze Zusammenfassung von Clays Aufenthalt sowie einige Absätze über den großen Prozess.
Der Reporter nannte ihn nicht direkt einen geldgierigen, opportunistischen Anwalt, gab aber zu verstehen, dass er wie ein hungriger Geier kreise, um zu gegebener Zeit über den Kadaver von Goffman herzufallen.
Der Gerichtssaal war brechend voll mit potenziellen Geschworenen und Zuschauern. Es wurde neun Uhr und später, ohne dass etwas von den Anwälten oder dem Richter zu sehen gewesen wäre. Sie hielten sich im Richterzimmer auf, wahrscheinlich, um Fragen zu besprechen, die noch vor Beginn der Verhandlung zu klären waren. Gerichtsdiener und -Schreiber machten sich am Richtertisch zu schaffen. Dann erschien hinter ihnen ein junger Mann im Anzug, passierte die Schranke und kam durch den Mittelgang auf Clay zu, wo er abrupt stehen blieb. Er beugte sich vor und flüsterte: »Sind Sie Mr Carter?« Clay nickte verwirrt.
»Der Richter möchte Sie sprechen.«
Die Zeitung lag mitten auf dem Schreibtisch des Richters.
Dale Mooneyham stand in einer Ecke des geräumigen Büros, Roger Redding lehnte an einem Tisch in der Nähe des Fensters.
Der Richter schaukelte
Weitere Kostenlose Bücher