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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Kurzgeschichte. Wäre er auf absichtliche Verleumdung aus gewesen, hätte der Bericht nicht grausamer ausfallen können. Das ganze Unglück in Reedsburg hätte problemlos vermieden werden können, wenn sich J. Clay Carter II. aus Washington, der Anwalt, der die Sammelklage vertrat, bei der Höhe seiner Honorarforderung flexibel gezeigt hätte.
    Da Clay die Baltimore Press nicht las und überhaupt einen Bogen um die meisten Zeitungen und Magazine machte, wären ihm die Neuigkeiten aus Reedsburg vielleicht zumindest für eine Weile erspart geblieben, wäre da nicht der immer noch unbekannte Herausgeber des nicht autorisierten und höchst unwillkommenen Rundbriefs gewesen. Dieser faxte ihm die neueste Ausgabe des King of Shorts, die offenbar in aller Eile zusammengestellt worden war und den Artikel aus der Baltimore Press enthielt.
    Als Clay ihn las, hätte er die Zeitung am liebsten verklagt. Bald jedoch vergaß er die Baltimore Press, weil ihn ein neuer Alptraum erwartete. Eine Woche zuvor hatte ein Reporter von Newsweek angerufen, den Miss Glick wie üblich abgewimmelt hatte. Zwar wünscht sich jeder Anwalt, dass landesweit über ihn berichtet wird, aber nur wenn es sich um einen Aufsehen erregenden Fall oder um ein Milliardenurteil handelt. Clay hegte den Verdacht, dass es hier weder um das eine noch um das andere ging, und er hatte Recht. Newsweek interessierte sich weniger für Clay Carter als für die Frau, die ihn zu Fall bringen wollte.
    In dem Artikel wurde Helen Warshaw zwei Seiten lang gefeiert. Jeder Anwalt hätte seinen linken Arm für eine solche Berichterstattung gegeben. Ein sensationelles Foto zeigte Miss Warshaw mit entschlossener Miene in einem Gerichtssaal vor den leeren Sitzen der Geschworenen. Sie wirkte nicht nur brillant, sondern auch sehr glaubhaft. Clay, der sie nie zuvor gesehen hatte, hatte gehofft, sie würde so »knallhart« aussehen, wie Saulsberry sie beschrieben hatte, aber das war nicht der Fall. Sie war sehr attraktiv - klein, dunkles Haar und traurige braune Augen, die jedes Geschworenengericht in ihren Bann schlagen würden. Während Clay auf das Bild starrte, wünschte er sich, auf ihrer Seite zu stehen statt auf seiner. Hoffentlich begegneten sie einander nie. Und falls doch, dann zumindest nicht vor Gericht.
    Miss Warshaw besaß mit zwei anderen Partnern eine Kanzlei in New York, die sich auf Anwaltspflichtverletzung spezialisiert hatte, eine seltene, aber wachsende Marktnische. Jetzt hatte sie einige der größten und reichsten Anwälte des Landes aufs Korn genommen, und sie hatte nicht die Absicht, sich auf einen Vergleich einzulassen. »Ich habe noch nie einen Fall gesehen, der die Geschworenen so ansprechen wird«, erklärte sie. Clay hätte sich am liebsten die Kugel gegeben.
    Sie vertrat fünfzig Dyloft-Mandanten, die allesamt im Sterben lagen. Der Bericht schilderte die kurze, schmutzige Geschichte des Sammelverfahrens.
    Aus den fünfzig hatte der Reporter aus irgendeinem Grund Ted Worley aus Upper Marlboro, Maryland, ausgewählt. Ein Foto zeigte den armen Kerl, wie er in seinem Garten saß. Seine Frau stand hinter ihm. Die beiden hatten die Arme vor der Brust verschränkt und wirkten traurig und besorgt. So schwach Worley auch war, als er von seinem ersten Kontakt mit Clay Carter berichtete, zitterte er vor Wut. Ein Telefonanruf aus dem Nichts, während er sich ein Spiel der Orioles ansah, die alarmierenden Neuigkeiten über Dyloft, die Urinanalyse, der Besuch des jungen Anwalts, die Klage. Alles. »Ich wollte den Vergleich nicht«, sagte er immer wieder.
    Für den Newsweek-Reporter holte Worley seine gesamten Unterlagen hervor: die medizinischen Berichte, die Gerichtsakten, den hinterhältigen Vertrag mit Carter, der den Anwalt autorisierte, zu jedem Betrag über fünfzigtausend Dollar einen Vergleich zu schließen. Alles, einschließlich der Kopien von den beiden Briefen, die Worley Mr Carter geschrieben hatte, um gegen den »Ausverkauf« zu protestieren, und auf die der Anwalt nie geantwortet hatte.
    Seine Arzte gaben Worley weniger als sechs Monate. Während er langsam jedes der entsetzlichen Worte las, fühlte sich Clay, als wäre er persönlich für die Krebserkrankung verantwortlich.
    Helen Warshaw erklärte, dass die Geschworenen viele ihrer Mandanten nur auf Video sähen, weil sie den Beginn des Verfahrens nicht mehr erleben würden. Das klang in Clays Ohren brutal, aber schließlich war der ganze Bericht durch und durch bösartig.
    Mr Carter sei, hieß es, nicht

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