Die Schuld
noch mehr herausholen. French hielt hartnäckig an seiner Theorie fest, dass für die Sammelklage kaum etwas übrig bleibe, wenn einigen wenigen Klägern Millionen zugesprochen würden. Brennan nahm ihm das nicht ab, aber er hatte Mühe, Frenchs Argumentation zu entkräften. Seiner Meinung nach hatte Ackerman mehr Geld, als das Unternehmen zugab.
Über diesen Punkt geriet die Gruppe in Streit, aber Ansichten und Loyalitäten änderten sich so schnell, dass Clay kaum mehr feststellen konnte, welchen Standpunkt jemand vertrat. French widersprach Brennan, als dieser behauptete, dass sich ein Strafschadenersatz ganz einfach beweisen lasse. »Sie haben doch die entsprechenden Unterlagen, oder?«, fragte Brennan.
»Clay hat einige Unterlagen, aber das weiß Ackerman noch nicht. Von Ihnen hat sie auch noch keiner gesehen. Und vielleicht werden Sie sie auch nie sehen, wenn Sie einen Alleingang riskieren wollen.«
Messer und Gabeln hielten abrupt still, als bis auf Clay und French alle gleichzeitig zu brüllen begannen. Die Kellner verließen fluchtartig den Raum. Clay konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie in der Küche hinter der Anrichte in Deckung gingen. Brennan suchte nach jemandem, mit dem er sich streiten konnte. Wes Saulsberry wollte ihm keinen Zentimeter entgegenkommen. Die ersten Beschimpfungen fielen. Als Clay mitten in der lautstarken Auseinandersetzung einen Blick zur Stirnseite des Tisches warf, sah er, dass Patton French seelenruhig an seinem Wein schnupperte, einen Schluck trank, die Augen schloss und sich dann den nächsten Wein vornahm.
Wie viele solcher Auseinandersetzungen hatte French schon erlebt? Vermutlich an die hundert. Clay schnitt sich ein Stück von seinem Steak ab.
Nachdem sich die Gemüter wieder beruhigt hatten, erzählte Bernie aus Boston einen Witz über einen katholischen Priester. Der Raum bebte vor Lachen. Fünf Minuten lang genossen alle das Essen und den Wein, bis Albert aus Topeka eine Strafe vorschlug, um Ackerman Labs in den Bankrott zu treiben. Er hatte so etwas schon zweimal mit anderen Unternehmen gemacht und recht gute Ergebnisse erzielt. Beide Male hatten die betreffenden Firmen die Konkursgesetze genutzt, um Banken und Gläubiger im Regen stehen zu lassen, sodass für Albert und tausende Mandanten mehr Geld übrig gewesen war. Alle, die dagegen waren, brachten vehement ihre Einwände vor, was Albert ihnen übel nahm, und schon war die nächste Auseinandersetzung in vollem Gange.
Sie gerieten sich über alles Mögliche in die Haare - erneut beweiskräftige Unterlagen, ob man auf einen Prozess drängen sollte oder nicht, während gleichzeitig ein schneller Vergleich nicht in Betracht kam, Zuständigkeiten, irreführende Werbung, wie sich weitere Mandanten an Land ziehen ließen, Spesen, Honorare. Clays Magen krampfte sich zusammen. Er sagte kein Wort. Die anderen schienen das Essen zu genießen, während sie gleichzeitig zwei oder drei heftige Diskussionen führten.
Dir fehlt nur die Erfahrung, sagte Clay sich.
Nach dem längsten Abendessen in Clays Leben führte French sie wieder nach unten ins Billardzimmer, wo Kognak und noch mehr Zigarren auf sie warteten. Die Anwälte, die sich drei Stunden lang wie die Waschweiber beschimpft hatten, tranken und lachten miteinander, als würden sie derselben Studentenverbindung angehören. Bei der ersten Gelegenheit schlich Clay sich davon und ging auf sein Zimmer, das er nur mit viel Mühe fand.
Die Show von Barry und Harry war für zehn Uhr am Samstagmorgen angesetzt, sodass alle genug Zeit hatten, ihren Rausch auszuschlafen und ein herzhaftes Frühstück einzunehmen. French bot seinen Gästen Forellenangeln und Tontaubenschießen als Frühsport an, aber keiner der Anwälte konnte sich dafür erwärmen.
Barry und Harry besaßen eine Firma in New York, die nichts anderes tat, als die Finanzsituation von Unternehmen unter die Lupe zu nehmen. Sie hatten Quellen, Kontakte und Spione und standen in dem Ruf, hinter den offiziellen Zahlen einer Firma immer die Wahrheit zu finden. French hatte sie zu einer einstündigen Präsentation einfliegen lassen. »Kostet uns zweihundert Riesen«, flüsterte er Clay stolz zu, »aber die werden wir Ackerman Labs später in Rechnung stellen.«
Die beiden waren ein eingespieltes Team. Barry warf die Grafik an die Wand, Harry hielt den Laserpointer in der Hand: zwei Professoren am Rednerpult. Sie standen vor der Leinwand des kleinen Heimkinos, das einige Stufen unterhalb des Billardzimmers lag.
Weitere Kostenlose Bücher