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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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sie sich unglaublich erschöpft.
    »Layla – das Mädchen, von dem Sie mich weggezogen haben –, denkt, dass ich ihr den Freund ausspannen will.«
    »Und hat sie mit dieser Annahme recht?«
    »Nein. Er hat sich auf einer Party an mich rangemacht, dabei aber wohl vergessen zu erwähnen, dass er eine Freundin hat.«
    Inspector Reece nickte. »Aha, verstehe.«
    Er setzte den Wagen zurück, fuhr dann langsam zum Tor hinaus und schlug den Weg Richtung Zentrum ein.
    »Wie ich gehört habe, hat die Gerichtsmedizin den Leichnam Ihres Vaters freigegeben«, sagte er und warf April von der Seite einen kurzen Blick zu. »Ich nehme an, Sie sind froh, ihn endlich beerdigen und Stück für Stück wieder ein bisschen zur Normalität zurückkehren zu können?«
    April zuckte nur mit den Schultern und schaute aus dem Fenster.
    »Liege ich richtig mit der Vermutung, dass Sie jetzt noch nicht sofort nach Hause zurück wollen?«
    April nickte, ohne ihn anzusehen.
    »Darf ich Sie dann vielleicht zum Mittagessen einladen?«
    Sie hob gleichgültig die Hände. »Von mir aus«, murmelte sie. »Aber bitte nicht zu McDonald’s«, fügte sie nach einer kleinen Pause hinzu.
    Reece lachte. »Wie Sie wünschen.«
    Sie verließen Highgate und bogen auf die Hampstead Lane, wo sie unter anderem an dem berühmten Kenwood House vorbeifuhren. April hatte sich dieses stattliche Herrenhaus im georgianischen Stil immer schon einmal ansehen wollen, seit Hugh Grant dort in dem Film Notting Hill das Herz gebrochen worden war, aber sie war noch nicht dazu gekommen. Als sie jetzt so darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie den Stadtteil bis auf die Besuche bei ihrem Großvater eigentlich nie verlassen hatte. Als würde unter dem Pond Square ein gewaltiger Magnet vergraben liegen, der nicht zuließ, dass sie sich zu weit von ihm entfernte. Das wäre zumindest eine Erklärung. Nach einer Weile bog Inspector Reece schließlich auf einen Parkplatz vor einem rustikal aussehenden Gebäude.
    »Ein Pub?«, fragte sie verwundert und fast ein bisschen zu hoffnungsvoll.
    Reece lächelte. »Für Sie gibt es dort höchstens eine Cola light, junge Dame. Aber die servieren dort eine ganz fantastische Ziegenkäse-Lasagne.«
    Das Spaniards Inn war ein urig verwinkeltes Gasthaus mit niedrigen Balken, dunkler Holzvertäfelung und knarrenden Dielen. In einem mit Kupfer verkleideten Kamin prasselte sogar ein gemütliches Feuer. Alles sah genau so aus, wie sich amerikanische Touristen einen typisch englischen Pub vorstellten. Während Inspector Reece an der Theke die Bestellung aufgab, blieb April vor einer Tafel stehen, auf der die Geschichte des Pubs kurz zusammengefasst worden war. Anscheinend hatten sich hier bereits Charles Dickens, Lord Byron und der legendäre Straßenräuber Dick Turpin ihr Bier schmecken lassen, und in dem hinter dem Gebäude liegenden Garten hatte John Keats angeblich seine »Ode to a Nightingale« geschrieben.
    Sie zuckte zusammen, als Inspector Reece hinter ihr lachte. »Ich würde nicht alles glauben, was da behauptet wird.« Er führte sie zu einer kleinen Sitznische und stellte die versprochene Cola light vor sie auf den Tisch. »Aber irgendwie ist es auch nett, die alten Legenden am Leben zu erhalten.«
    Er nahm auf einem mit Leder bezogenen Stuhl neben dem Fenster Platz, von dem aus man auf eine Straßeninsel blickte, auf der ein kleines weißes Gebäude stand, das wie die Miniaturausgabe eines Landhauses aussah.
    »Das Haus da drüben erinnert mich an das Pförtnerhäuschen am Osteingang des Highgate-Friedhofs«, sagte April, nachdem sie das Gebäude einen Moment lang nachdenklich betrachtet hatte. »Sie wissen schon, ganz in der Nähe von der Stelle, wo Isabelle Davis ermordet wurde.«
    Reece sah sie mit hochgezogenen Brauen an.
    »Ich habe neulich an einer Friedhofsführung teilgenommen«, erklärte sie, »und die Führerin sagte, es würde schon seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt und sei immer verschlossen. Haben Sie es sich angesehen, als Sie dort auf Spurensuche waren?«
    »Nur von außen«, antwortete Reece und rieb sich übers Kinn. »Wir haben uns nicht weiter damit beschäftigt, weil es ganz offensichtlich war, dass dort tatsächlich schon seit Jahren niemand mehr ein- und ausgegangen ist.«
    April dachte an den großen Mann, der aus dem Haus gekommen war, den die Führerin angeblich noch nie dort gesehen hatte – dabei war sie sich absolut sicher, dass sie sich ihn nicht nur eingebildet hatte. Es war zum Verrücktwerden. Wenn sie

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