Die Schule der Nacht
ihm und den Morden geben.
»Erde an April…«, riss Fiona sie aus ihren Grübeleien. »Wir waren noch nicht fertig. Erzähl mir noch mehr über dieses Vampirbuch.«
»Okay. Der Autor – Jonathan Kingsley-Davis – scheint das viktorianische Gegenstück zu meinem Vater gewesen zu sein«, erzählte April. »Er hat Jahre damit zugebracht, alle möglichen ungeklärten Ereignisse im East End zu untersuchen.«
»Du meinst, solche Sachen wie die Verbrechen von Jack the Ripper?«
»Unter anderem, ja. Grauenhafte Morde waren damals wohl praktisch an der Tagesordnung. Jedenfalls behauptete er, dass alles letztlich auf die Vampire zurückzuführen sei. Aber nicht auf irgendwelche ziellos umherirrenden blutrünstigen Untoten, sondern Gruppen, die in, wie er es nannte, ›Nestern‹ organisiert waren. Von denen soll es in London drei Stück gegeben haben – in Covent Garden, Spitalfields und in Highgate –, über die ein sogenannter Regent herrschte. Er erteilte die Befehle und rekrutierte die Diener.«
»Nester?«, wiederholte Fiona erschrocken. »Hier in Highgate? Dann reden wir also nicht nur von einem einzigen Vampir, der sein Unwesen auf dem Friedhof treibt, sondern von einer ganzen Horde?«
April sah ihre Freundin mit hochgezogenen Brauen an. »Ich dachte, ich wäre diejenige, die zu viele Horrorfilme geschaut hat… Jedenfalls hat dieser Kingsley-Davis geglaubt, dass sie schon seit Jahrhunderten unter uns leben und ihren gesellschaftlichen Einfluss nutzen, um nach Belieben morden zu können, ohne dafür bestraft werden zu können.«
Während sie noch redete, kam April ein weiterer Gedanke: Wenn es diesen Vampir-Regenten wirklich gab und er das Sagen hatte, dann war er es möglicherweise gewesen, der den Mord an ihrem Vater angeordnet hatte, weil er der Wahrheit – wie auch immer sie letztendlich aussah – zu nahe gekommen war. Hatte Gabriel vielleicht den Auftrag gehabt, ihren Vater, Isabelle und Alix zu töten? Wenn ja, dann war der Vampir-Regent derjenige, den sie suchen musste. Das heißt, falls er überhaupt existierte.
Fiona schüttelte seufzend den Kopf. »Das ist alles ganz schön kompliziert und verwirrend«, sagte sie. »Was glaubst du denn? Meinst du, dieser Kingsley-Davis hat recht?«
»Ich hab keine Ahnung, ob es Vampire gibt oder nicht oder ob irgendein König über sie regiert. Mich würde interessieren, warum Isabelle Davis das Buch haben wollte. Es ist mehr als merkwürdig, dass ausgerechnet die Person, die zuletzt danach gefragt hat, kurz darauf brutal auf dem Friedhof ermordet wurde.«
»Dein Dad hatte es vielleicht auch gefunden«, sagte Fiona leise.
April nickte. »Und jetzt habe ich es entdeckt.«
»Oh Mann, das gefällt mir gar nicht.« Fiona stöhnte und machte ein besorgtes Gesicht.
Aber April stellte zu ihrer Überraschung fest, dass sie fast gar keine Angst empfand. Im Moment zählte für sie nur, dass sie die Wahrheit herausfinden wollte. Wenn sie sich damit in Gefahr brachte, würde sie das in Kauf nehmen.
»Fest steht, dass Isabelle und mein Vater an derselben Sache dran waren, und deswegen spielt es erst einmal keine Rolle, ob ich persönlich an Vampire glaube oder nicht, verstehst du?« Während sie ihre Freundin ansah, knabberte sie nachdenklich an ihrer Unterlippe. »Aber alle Menschen, die in die Geschichte verwickelt sind, glauben offensichtlich an ihre Existenz.«
Fiona schien allmählich zu begreifen, denn ihr Gesichtsausdruck wurde auf einmal sehr ernst. »Du denkst doch hoffentlich nicht darüber nach, Gabriel zur Rede zu stellen?« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Wenn auch nur im Entferntesten die Möglichkeit besteht, dass er vielleicht der Mörder deines Vaters sein könnte, solltest du dich lieber von ihm fernhalten.«
»Aber verstehst du denn nicht, Fee! Egal ob er der Mörder ist oder nicht – er weiß mehr, als er mir gesagt hat, und ich muss herausfinden, warum mein Vater ermordet wurde.«
Fiona legte ihr eine Hand auf den Arm. »Tu das nicht. Du weißt doch, dass die Kids, die sich in Horrorfilmen auf die Suche nach dem Killer machen, am Ende immer diejenigen sind, die umgebracht werden.«
»Bei ›Scooby-Doo‹ wird keiner umgebracht.«
»›Scooby-Doo‹ ist eine Zeichentrickserie.«
»Na und? Egal ob Zeichentrickserie, Dracula-Verfilmung oder Splatter-Movie, das ist doch sowieso alles bloß erfunden.«
»Ja, aber hier geht es ums echte Leben und um echte Menschen, die umgebracht worden sind, falls ich dich daran erinnern
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