Die Schule der Nacht
unbedingt Polizist oder Lehrer werden wollen – das ist immer ein ganz bestimmter Menschenschlag.«
»Jetzt nimmst du mich auf den Arm.« April sah ihn prüfend an.
»Ein bisschen.« Gabriel lächelte.
»Aber du hast gesagt, dass das Töten in der Natur der Vampire liegt. Warum bringt ihr euch dann nicht gegenseitig um?«
»Weil wir Jäger sind. Wir suchen uns immer eine Beute, die schwächer ist als wir. Ein Löwe würde auch keinen Leoparden angreifen, schließlich sind beides Raubtiere. Wir hätten aber auch nicht viel davon. Vampire können sich nicht von Vampirblut ernähren. Abgesehen davon würde es auch nur unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns ziehen, und das ist übrigens auch der Grund, warum mich das, was in Highgate passiert ist, so beunruhigt. Es verstößt gegen alle Regeln. Alix Graves hätte noch als Unfall durchgehen können – anfangs nahm ich an, da wäre vielleicht irgendetwas schiefgelaufen –, aber als dann auch noch Isabelle und dein Vater ermordet wurden, schrillten bei mir alle Alarmglocken. Drei derart öffentliche Morde innerhalb von drei Wochen sind extrem untypisch. Das widerspricht dem gesunden Vampirinstinkt. Ich habe den Verdacht, dass eine bestimmte Absicht dahintersteckt.«
»Oder vielleicht eine bestimmte Person?«
»Ganz genau. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das alles ohne die Beteiligung des Regenten passiert sein soll.«
Aprils Blick fiel auf ihr eigenes Spiegelbild im Fenster. Ihr Gesicht wirkte ernst und angespannt, so verzweifelt war sie darum bemüht, die vielen Informationen zu verarbeiten und die richtigen Fragen zu stellen. Ich fühle mich, als müsste ich morgen eine Klassenarbeit darüber schreiben. Der Gedanke brachte sie zum Lachen.
»Was ist?«, sagte Gabriel stirnrunzelnd.
»Ich musste nur daran denken, wie absurd das alles ist.« April fuhr sich erschöpft durch die Haare. »Ich habe gerade meinen Vater beerdigt, und jetzt sitze ich hier und bekomme einen Einführungskurs in Vampirkunde, als wäre das alles real.«
»Es ist real, April.«
April schlug mit der Faust frustriert gegen die Lehne des Vordersitzes. »Aber das kann doch alles gar nicht sein! Hast du eine Ahnung, wie verrückt sich das für mich anhört?«
Gabriel wandte ihr den Kopf zu und sagte beinahe schroff: »Verrückt oder nicht – es passiert. Dein Vater wurde deswegen umgebracht.«
April spürte, wie wieder Wut in ihr aufstieg. Das war einfach alles zu viel für einen Tag. Ihre Nerven lagen blank, und ihr Verstand weigerte sich nach wie vor hartnäckig, zu glauben, was Gabriel ihr erzählte. Plötzlich schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass alles, was passiert war – das Messer, die Wunde –, nur ein kranker Scherz gewesen war, ein gemeiner Trick. Ohne Vorwarnung riss sie Gabriels Hemd nach oben.
»Was soll das?«, sagte er.
»Zeig mir noch mal die Wunde! Ich brauche einen Beweis, dass das alles wahr ist!«
Gabriel packte ihre Hand und presste sie auf die gerötete Stelle an seinem Bauch. Die Haut war geschwollen und fühlte sich heiß an. Und absolut real.
»Willst du nicht vielleicht noch deinen Finger in die Wunde bohren?«, stieß er wütend hervor. »Bist du dann zufrieden?«
April zog hastig die Hand weg.
»Warum soll ich dir glauben?«, fragte sie. »Weil du mir ein rührseliges Märchen über deine unsterbliche Liebe zu Lily erzählt hast? Wer sagt mir, dass du das nicht alles aus einem kitschigen Liebesroman geklaut hast?«
»Beleidige mich nicht, April«, sagte Gabriel mit gefährlich leiser Stimme. »Alles, was ich dir gesagt habe, war die Wahrheit. Ich habe mich noch nie jemandem so offenbart wie dir. Also verwende es jetzt nicht gegen mich.«
»Ich weiß nur, dass der Mord an meinem Vater etwas mit seinen Nachforschungen zu tun haben muss. Möglicherweise hat er herausgefunden, dass es in Highgate Vampire gibt. Vielleicht war er ja hinter dir her.«
Gabriel schüttelte erschöpft den Kopf. »Nein, war er nicht.«
»Und woher willst du das so genau wissen?«
»Weil er hauptsächlich über die Ravenwood School recherchiert hat.«
April starrte ihn verblüfft an. »Woher weißt du das? Aber dann musst du doch auch wissen, wer ihn umgebracht hat!«
»Warum glaubst du mir nicht endlich? Ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Aber du hast einen Verdacht? Sag es mir! Ich habe ein Recht, es zu erfahren!«
Gabriel wandte den Blick ab, aber sie packte ihn an seinem Mantelkragen und zwang ihn, sie anzusehen.
»Du musst es mir sagen, Gabriel! Wer
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