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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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dass man hinter ihr Geheimnis kommen könnte. Und diese drei Morde…«
    »Du machst mir Angst, Gabriel.«
    Er sah sie ernst an. »Deine Angst ist berechtigt.«
    Mittlerweile hatten sie die Waterloo Road erreicht. Nach Ladenschluss waren die Straßen zwar immer noch belebt, aber bereits wesentlich ruhiger, und auch der Berufsverkehr hatte nachgelassen. Der Bus hielt genau in dem Moment an der Haltestelle, als sie dort ankamen. Sie stiegen ein und setzten sich auf dem Oberdeck in einigem Abstand zu den anderen Fahrgästen auf eine Bank, wo sie ungestört reden konnten.
    »Und wo ist Lily jetzt? Ich meine… wo ist sie begraben?«, fragte April. Als der Bus mit einem Ruck anfuhr, wurde sie gegen Gabriel gedrückt und genoss die enge Berührung.
    »Auf dem Highgate-Friedhof.« Gabriel schwieg einen Moment und betrachtete die vor dem Fenster vorbeifliegenden Lichter der Stadt. »Deswegen war ich an dem Abend, an dem Isabelle ermordet wurde, dort. Es war Lilys Geburtstag, und ich wollte wie jedes Jahr ihr Grab besuchen. Aber es war noch jemand – etwas – auf dem Friedhof. Ein anderer Vampir. Ich konnte ihn riechen, spürte die Gefahr. Er hatte Füchse, mehrere Vögel und eine Katze getötet und war in einem regelrechten Blutrausch.«
    »Gott! Und was hast du gemacht?«
    Gabriel zuckte mit den Achseln. »Wir haben miteinander gekämpft. Er war stark, aber ich nehme an, dass Isabelle sich erbittert gegen ihn zur Wehr gesetzt hatte, denn er war verletzt. Wenn ich nicht dort gewesen wäre, hätte er mit Sicherheit auch dich umgebracht.«
    In diesem Moment kam April ein schrecklicher Gedanke. »Aber das heißt doch, dass er dich gesehen hat, oder? Weiß der Mörder, wer du bist?«
    Gabriel nickte. »Genau das ist es, was mir Sorgen macht. Es war stockfinster auf dem Friedhof, aber es könnte gut möglich sein, dass er mein Gesicht gesehen hat, als ich dich auf die Swain’s Lane in Sicherheit gezerrt habe. Das ist aber nicht das Einzige, was mich beunruhigt.«
    »Was noch?«
    »Ich habe dir schon gesagt, dass ich das Gefühl habe, beobachtet zu werden. Das ist auch der Grund, warum ich mich in den letzten Wochen so rar gemacht habe. Ich glaube, dass jemand mich in eine Falle locken will. Und dann ist da noch die Sache mit der Polizei. Als ich zu der Zeugenvernehmung bei Inspector Reece erschienen bin, hatte ich das Gefühl, dass sie bereits wussten, dass ich wegen des Mordes an Isabelle bei ihnen war. Es war, als hätten sie von jemandem einen Tipp bekommen.«
    April spürte, wie ihr auf der Stirn kalter Schweiß ausbrach. »Der Regent?«
    »Ich weiß es nicht, aber es wäre doch äußerst praktisch für ihn, wenn ich der Hauptverdächtige in einem Mordfall und damit aus dem Verkehr gezogen wäre. Andererseits frage ich mich, weshalb mich der Regent nicht schon längst töten ließ, wenn er weiß, wer ich bin.«
    April sah ihn an. »Weißt du, wer der Mörder ist?«
    Gabriel wich ihrem Blick aus und schaute aus dem Fenster. »Nein, das habe ich dir doch schon gesagt. Aber wenn der Regent Isabelles Tod angeordnet hat, spielt es kaum eine Rolle, wer sie umgebracht hat. Was zählt, ist, warum sie getötet wurde.«
    April nickte und ließ den Blick über die anderen Fahrgäste im Bus wandern. Eine dicke schwarze Frau in einem grünen Regenmantel, zu deren Füßen zerschlissene Einkaufstüten standen, ein junger Mann in einem Anzug, der aussah, als wäre es sein erster, zwei Mädchen, die sich kichernd über eine Zeitschrift beugten. Es kam April vor, als säßen sie auf der anderen Seite eines doppeltverglasten Fensters. Sie waren in der echten Welt, während sie selbst in diesem Paralleluniversum gelandet war, in dem alles, woran sie ihr Leben lang geglaubt hatte, keinen Sinn mehr ergab.
    Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Warum bringen eigentlich nicht alle, die gebissen wurden, denjenigen um, der sie zum Vampir gewandelt hat, um dem Fluch zu entgehen?«, fragte sie.
    Gabriel lachte bitter. »Weil man sich ganz bewusst dafür entscheiden muss, Vampir zu werden. Die Ahnungslosen, die gebissen und mit dem Virus infiziert werden, sterben. Nur wer sich aus freien Stücken dafür entscheidet, Vampir zu sein – wer den Fluch willentlich herbeiführt –, überlebt. Aber man muss es wirklich aus tiefster Seele wollen. Und diejenigen, die es so weit geschafft haben, werden wohl kaum ihren Schöpfer umbringen. Schließlich hat er sie zu dem gemacht, was sie sich sehnlichst zu sein gewünscht haben. Das ist wie mit Leuten, die

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