Die Schule der Nacht
wissen, dass ich es überhaupt nicht eilig habe, mein Engel«, sagte Marcus sanft. Er streichelte ihr übers Gesicht und leckte dann langsam das Blut von den Fingerkuppen. »Dafür schmeckst du mir viel zu gut.« Er grinste böse.
Er ist ein Vampir. Oh Gott, Marcus ist ein Vampir, rief eine gellende Stimme in ihrem Kopf. Der Jäger hat seine Beute gefangen.
»Ich waaaa-rte !«, sagte er in spöttischem Singsang und schlug dann erneut brutal ihren Kopf gegen die Wand.
»Drogen!«, rief sie.
Marcus schleuderte sie unvermittelt zu Boden.
»Was für Drogen?«
April dachte fieberhaft nach. Nachdem ihretwegen bereits zweimal die Polizei in der Schule gewesen war, stand es um ihren Ruf nicht zum Besten – vielleicht würde er ihr die Lüge ja abkaufen. Vielleicht .
»Ich… ich brauchte dringend was und dachte, dass Ben… dass er irgendwo in seinem Zimmer was versteckt hat«, stammelte sie, um Zeit zu schinden.
»Ben nimmt keine Drogen«, sagte Marcus, und seine Stimme triefte vor Verachtung. Jedes einzelne Wort war wie ein Todesurteil. Er war ein Vampir, ein Mörder, er würde ihr Blut trinken. Oh Gott, bitte hilf mir!, flehte April in stummer Panik, als ihr plötzlich etwas durch den Kopf schoss. Etwas, das Gabriel über Raubtiere gesagt hatte, über Leoparden und Löwen.
»Und du?«, sagte sie leise. »Nimmst du Drogen?«
»Was?«, fuhr er sie aufgebracht an. »Nein!«
»Und was hast du dann in Benjamins Zimmer zu suchen gehabt?«, fragte sie und rückte kaum merklich näher an den Schreibtisch heran. »Was hast du hier so ganz allein im Dunkeln gemacht?«
Marcus hob erneut die Hand. »Ich warne dich!«, zischte er, aber April merkte, dass er verunsichert war.
»Wolltest du ihm nah sein, Marcus?«, flüsterte sie. »Wolltest du deinen Kopf in Benjamins Kissen vergraben und seinen Duft riechen… du Missgeburt !«, schrie sie, während sie gleichzeitig aufsprang, die Schreibtischlampe packte und sie ihm ins Gesicht schleuderte. Marcus zuckte überrascht zurück, sodass sie an ihm vorbei übers Bett springen und ins Badezimmer hechten konnte, wo sie mit zitternden Fingern die Tür verriegelte.
»Du Miststück!«, brüllte er und rüttelte an der Klinke. April griff sich einen Stuhl und klemmte die Lehne unter den Griff, als Marcus dazu überging, sich gegen die Tür zu werfen.
»Ich bringe dich um, du miese kleine Schlampe!«, schrie er, und dann ertönte ein dumpfer Aufprall, als er sich wieder gegen die Tür warf. April sah sich verzweifelt um. Das Badezimmer war nicht besonders groß – ein Waschtisch, eine Wanne, eine Dusche und ein kleines Schiebefenster in der gegenüberliegenden Wand.
PANG .
Das Geräusch ging ihr durch Mark und Bein. Vielleicht würde jemand den Lärm hören und nachschauen, was los war? Aber angesichts der Größe des Hauses, dem lauten Stimmengewirr der Gäste und der dröhnenden Partymusik war das eher unwahrscheinlich. Sie könnte sich die Lunge aus dem Hals schreien, ohne dass irgendjemand sie hören würde. Nein, dieses Mal war sie ganz auf sich allein gestellt.
PANG .
Diesmal wurde der Aufprall vom Geräusch splitternden Holzes begleitet. Aprils Blick flog zum Fenster. Es war ihre einzige Chance. Hastig öffnete sie den Riegel und wollte das Fenster hochschieben. Verdammt! Es klemmte.
PANG .
»Du sitzt in der Falle, Miststück!«, höhnte Marcus. »Wir beide werden sehr viel Spaß miteinander haben!«
Panisch rüttelte sie am Rahmen des Schiebefensters und schaffte es endlich, es doch ein Stückchen hochzuschieben. Sie schob die Hände darunter und stemmte es mit aller Kraft noch etwas weiter nach oben. Der Spalt sah aus, als würde sie hindurchpassen. Sie musste hindurchpassen.
PANG .
Rasch zwängte sie ihren Oberkörper nach draußen. Die Splitter des spröde gewordenen alten Holzes bohrten sich ihr in die nackten Schultern, aber sie spürte den Schmerz kaum, während sie sich Zentimeter für Zentimeter weiterschob.
Und dann hörte sie, wie die Tür aus den Angeln flog.
Marcus schloss seine Hände um ihr rechtes Fußgelenk und zerrte sie in den Raum zurück. Sie schlug mit dem linken Fuß aus, stemmte sich gegen den Rand der Wanne – und stürzte dann, hilflos mit Armen und Beinen rudernd, kopfüber in die Dunkelheit. Oh Gott! Ich werde mir das Genick brechen.
PANG .
Diesmal war es das Geräusch ihres eigenen dumpfen Aufpralls. Sie war auf irgendetwas Weichem gelandet, spürte plötzlich, wie sie in warmes Wasser glitt, und schlug, aus Angst zu ertrinken,
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