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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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panisch um sich, bis ihr klar wurde, was passiert war. Ihr Sturz war von der Plastikplane abgefedert worden, mit der der Whirlpool abgedeckt war. Mit dem Oberkörper lag sie auf der Plane, aber ihre Beine standen im Wasser. Mühsam zog sie sich am Beckenrand heraus und blieb einen Moment lang schwer atmend auf dem Boden liegen.
    »Du verdammte Hexe!«, brüllte Marcus, der sich oben aus dem Fenster beugte.
    Wenigstens bin ich hier vor ihm sicher , dachte April erleichtert.
    Irrtum.
    Wasser spritzte ihr ins Gesicht, als Marcus auf einmal mit den Füßen voraus im Whirlpool landete. Mein Gott, der Typ ist wahnsinnig! Schnell rappelte April sich auf, merkte, dass sie nur noch einen Schuh anhatte, schleuderte ihn vom Fuß und raffte ihr triefend nasses Kleid hoch, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Wohin? Sie sah sich hektisch um. Wenn sie Richtung Haus lief, würde Marcus ihr problemlos den Weg abschneiden können, also sprang sie über das Terrassengeländer und rannte barfuß über den leicht abfallenden, schneebedeckten Rasen auf den Pavillon zu.
    »Gabriel!«, schrie sie gellend. » HILFE ! HIIILFEEEE !«
    »Zu spät!«, zischte Marcus, der plötzlich wie aus dem Nichts vor ihr aufgetaucht war. Einen Moment lang fiel das aus dem Haus dringende Licht auf sein Gesicht, und April sah, dass seine Lippen zu einer grässlichen Grimasse zurückgezogen waren und scharfe glitzernde Reißzähne entblößten. Seine Nasenflügel waren gebläht und die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Er sah aus wie Gabriel an dem Abend, an dem sie ihm das Messer in den Bauch gerammt hatte.
    Ich wollte dir zeigen, was ich wirklich bin. Ich wollte, dass du es mit eigenen Augen siehst, hatte er gesagt.
    Aber April blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, sie musste um ihr Leben rennen. Sie schlug einen Haken und lief in die einzige Richtung, die ihr noch blieb – direkt auf den Friedhof zu. Mit der Kraft der Verzweiflung zog sie sich an der Mauer empor und grub die Zehen in die Ritzen zwischen den Steinen, während sie jeden Augenblick damit rechnete, dass Marcus’ Hände sich brutal um ihre Knöchel schlossen. Dass der raue Backstein die zarte Haut ihrer Fußsohlen aufriss, spürte sie kaum. Und dann fiel sie von Neuem, nur dass sie diesmal nicht in einem Whirlpool, sondern in einem zugeschneiten Busch landete, dessen dünne Zweige sich in ihren Körper bohrten. Aber der Schmerz wurde von panischer Angst betäubt, die sie nur an ihr Überleben denken ließ. Keuchend rappelte sie sich auf und rannte mit ausgestreckten Händen blindlings durch die Dunkelheit, stolperte über Grabsteine, stieß gegen Bäume und verfing sich mit den Füßen in den aus dem Erdreich ragenden Wurzeln. Immer weiter lief sie, bis sie über die Einfassung eines Grabes strauchelte, der Länge nach hinschlug, dabei mit dem Kopf gegen den hoch aufragenden weißen Grabstein knallte und benommen liegen blieb. Sie presste die Lippen zusammen, damit ihr keuchender Atem sie nicht verriet, und stellte sich tot. Angestrengt lauschte sie auf Geräusche ihres Verfolgers, aber alles war still. Hatte sie ihn abgehängt? Hatte er beschlossen, die Jagd aufzugeben? Oder hatte womöglich doch jemand bemerkt, wie sie in den Whirlpool gefallen waren?
    Nein.
    »Ich kann dich höööö-ren «, sang Marcus, und seine Stimme klang entsetzlich nah. »Ich kann hören, wie schnell dein kleines Herz schlägt, Häschen.«
    Nenn mich nicht Häschen, dachte April wütend. Ihr Vater hatte sie manchmal so genannt, und es brachte ihr Blut in Wallung, den Kosenamen aus dem Mund dieses Ungeheuers zu hören.
    Marcus stand links direkt neben ihr, konnte sie anscheinend aber nicht sehen, weil sie hinter zwei umgekippten, zersplitterten Grabsteinen lag, wo sie sich so flach auf den Boden drückte, dass sich die scharfkantigen abgebrochenen Marmorstücke schmerzhaft in ihren Rücken bohrten.
    »Du kannst mir nicht entkommen, das weißt du doch, oder? Oh, ich werde mir ganz viel Zeit mit dir lassen, wenn ich dich gefunden habe. Hier draußen kannst du schreien, so viel du willst. Niemand wird etwas mitbekommen.«
    April hörte, wie unter seinen Sohlen Laub raschelte, und wilde Hoffnung durchzuckte sie – es klang, als würde er sich entfernen…
    »Und wenn ich genug mit dir gespielt habe, werde ich mit dir das Gleiche machen wie mit den nichtsnutzigen Blutgebern in der Unterführung in Covent Garden«, sagte er, und in seiner Stimme schwang Schadenfreude mit.
    April hätte vor Überraschung beinahe

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