Die Schule der Nacht
»Wir müssen uns unserer Verantwortung stellen und tun, was notwendig ist.«
»Scher dich zum Teufel!« Sie trommelte verzweifelt mit den Fäusten auf seinen Brustkorb ein, aber er schlang einfach die Arme um sie und drückte sie fest an sich.
»Bitte, April, hör mir zu«, sagte er eindringlich. »Ich wünschte, es wäre anders, aber… aber wir brauchen dich, ich brauche dich, ich…« Er verstummte.
»Was? Warum redest du nicht weiter, Gabriel?«, fuhr sie ihn an. »Was ich ? Ich liebe dich? Ich hasse dich? Ich will dich? Was? Warum sagst du nicht einfach, was du fühlst?« Sie war so unglaublich wütend auf ihn und auf das Schicksal, das sie in diese Lage gebracht hatte. Gabriel wollte, dass sie ihr Leben in einem Krieg gegen einen Feind opferte, den sie noch nicht einmal sehen konnte. Manchmal muss man eben gewisse Opfer bringen, April, hatte ihr Vater ihr am Morgen ihres Streits gesagt. Aber sie wollte keine Opfer bringen, nicht wenn der Mann, an den sie ihr Herz verloren hatte, noch nicht einmal bereit war, ihr seine Gefühle zu gestehen.
Gabriel sah sie an, dann blickte er über ihre Schulter hinweg in die Nacht hinaus. »Ich habe geschworen, dass ich das alles nicht noch einmal durchmachen werde«, sagte er, ohne seine Umarmung zu lockern, und als er sie nun wieder ansah, loderte sein Blick wie Flammen. »Ich hab mir das alles genauso wenig ausgesucht wie du. Ich glaubte, dass dieser Teil meines Lebens für immer vorüber sei, und doch stehst du hier vor mir, so… so wunderschön, so überwältigend und so zerbrechlich und gleichzeitig gefährlich.«
April wollte etwas erwidern, brachte aber keinen Ton heraus. Sie konnte ihn nur stumm anstarren.
»Ich will nur dich«, flüsterte Gabriel. »Ich wünsche mir nichts mehr, als dich zu küssen und nie wieder damit aufzuhören.« Jetzt lag in seinem Blick unendliche Traurigkeit. »Aber ich kann nicht.«
April riss sich von ihm los. »Soll das heißen, dass diese verdammte Furien-Sache immer zwischen uns stehen wird? Dass wir nie zusammen sein können, weil du ständig vor mir weglaufen musst?«, fragte sie mit Tränen in den Augen. Alles in ihr sehnte sich nach seiner Berührung, danach, von ihm geküsst und gehalten zu werden, aber sie war eine Unberührbare für ihn, Trägerin einer tödlichen Infektion. Es brach ihr das Herz.
»Das alles ist mir egal, Gabriel! Verstehst du denn nicht? Meine Bestimmung, dein gebrochenes Herz, das Gleichgewicht zwischen Menschen und Vampiren! Ich will einfach nur, dass du mir sagst, was du für mich empfindest. Ich will nichts von Legenden oder Überlieferungen hören, hier geht es doch nur um zwei Menschen, die sich gernhaben und die zusammen sein wollen. Ist das denn wirklich zu viel verlangt?«
Gabriel sah sie bloß stumm an, in seinem Blick lag eine unglaubliche Melancholie und grenzenloses Bedauern.
»Großartig.« April warf resigniert die Hände in die Luft. »Einfach großartig. Du willst, dass ich die Welt rette, aber du schaffst es nicht einmal, dich auf mich einzulassen? Und ich soll diejenige sein, die sich wie ein kleines Kind aufführt?« Sie drehte sich um und rannte zum Haus zurück, ohne auf den Schmerz in ihrem Knie und ihrem Herzen zu achten.
»April!«, rief er. »April!«
Aber sie war schon verschwunden.
April saß an der Bar und starrte in ihr zweites Glas Apple Pearl. Zur Hölle mit dir, Gabriel Swift!, dachte sie. Er hatte alles, was man sich von einem Jungen wünschen konnte: gutes Aussehen, eine geheimnisvolle Aura, Intelligenz und Humor. Er hatte sie süchtig nach sich gemacht, sie konnte einfach nicht die Finger von ihm lassen, und gleichzeitig trieb er sie in den Wahnsinn, indem er ständig neue Gründe fand, warum ihre Liebe zum Scheitern verurteilt war. Bei der Erinnerung an die Dinge, die er gesagt hatte, spürte sie ein warmes Glühen im ganzen Körper, aber was nützten diese Gefühle, wenn zwischen ihnen eine gläserne Wand stand, die sie für immer voneinander trennte? Und auch wenn ihr klar war, dass Gabriel vermutlich mit jedem seiner Einwände recht hatte – warum sollten sie zulassen, dass ihnen irgendwelche Geschichten aus verstaubten alten Büchern im Weg standen? Sie könnten zusammen fortgehen, an irgendeinen weit entfernten Ort durchbrennen, wo nichts von alldem zählte, wo sie einfach sein konnten. Aber noch während sie diesen Gedanken dachte, wusste sie, dass er ein Wunschtraum bleiben musste. Von ihrer schicksalhaften Bestimmung, irgendwelchen Malen, Vampiren und
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